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Ein Stueck meines Herzens

Ein Stueck meines Herzens

Titel: Ein Stueck meines Herzens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Ford
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bringen, bevor es Nacht wurde. Und als die Frau aus den Büschen wieder hervorkam, hatte es angefangen zu regnen, ein »unglaublicher Regen«, wie sie sagte, der auf die Seiten des Wagens peitschte, und das Wasser stieg bis zu den Türen an, bildete Strudel und schoß am Wagen vorbei, so daß ein starker Mann nicht hätte hindurchwaten können, ohne umgerissen zu werden. Und sie sagte, sie hätte ihn sehen können, wie er sich über das Armaturenbrett beugte, die Drähte und Zünder untersuchte und offenbar, wie sie meinte, nicht bemerkte, daß der Fluß anstieg und es vielleicht nicht so gut wäre, mittendrin zu stehen. Sie selbst, eine plumpe, schieläugige Frau aus Tonitown, sagte, sie hätte nie geahnt, was am Ende geschehen würde. Sie wäre höher geklettert und hätte sich unter einen Pflaumenbusch gehockt, um zu warten, daß der Regen aufhörte und das Wasser wieder ablief, damit sie den Weg zur Kirche fortsetzen konnten. Sie war, wie sich dann herausstellte, auch auf irgendeinem anderen Weg zu erreichen. Und während sie so da hockte, wurde das Wasser dunkler und schaumig und stieg an, und Stücke abgesplitterten Pinienholzes trieben den reißenden Wasserlauf hinab. Sie wurde klatschnaß und schaute zu, wie die Äste gegen den Wagen schlugen und das Wasser bis zu den Türschlössern anstieg. Sie glaube, sagte sie, daß Mr. Hewes gemerkt hatte, daß irgendwas nicht in Ordnung war, denn er hätte das Fenster geöffnet und etwas zu ihr gesagt, das sie nicht verstehen konnte, und hätte versucht, die Tür zu öffnen, aber das Wasser hätte dagegengedrückt, und die andere Seite wäre schon kaputt gewesen, bevor sie sich kennengelernt hatten. Und sie sagte, daß er das Fenster hochgedreht und hinausgeguckt und gelacht und gegrinst und komische kleine Zeichen mit seinen Händen gemacht habe, Zeichen, sagte sie, die sie ebensowenig verstand wie das, was er gesagt hatte. Sie sagte, sie hätten lange, vielleicht zehn Minuten, so dagesessen und einander angesehen, sie auf der Böschung unter dem Pflaumenbusch, völlig durchnäßt, und er im Wagen eingeschlossen, von dem scheußlichen Wasser, das um ihn herum wütete, lächelnd und Zeichen machend und ganz im Trockenen. Bis, sagte sie, das Wasser den Wagen auf einmal ganz zu überspülen schien, ohne daß eine Welle oder ein Ast ihn getroffen hätte oder es irgendein Zeichen dafür gegeben hätte, daß der Wagen den Halt verliere. Und ganz plötzlich sei er in Bewegung geraten, zur Seite gekippt, und das Wasser sei darüber hinweggeströmt und habe den Wagen in die Dunkelheit gespült, bis er nicht mehr zu sehen gewesen sei.
    Robard empfand nun selbst die lange atemlose Anspannung zwischen den beiden Augenblicken; zwischen dem Augenblick, in dem er weggespült worden war, und dem, wo es ihn – was immer es auch war – schon bewußtlos geschlagen hatte, und es möglich wurde, daß er auf dem Boden seines eigenen Wagens ertrank und das Gefühl haben mußte, daß er nun jederzeit mit der Lähmung und dem langen, allmählichen Wegdämmern rechnen mußte, die den Tod ankündigten.

8
    Hinter dem Haus hatten sich Wolken am Himmel aufgetürmt. Die Sonne war untergegangen und hatte den Himmel in ein unbestimmtes Rosa getaucht. Im Osten war es schon seit langem dunkel. Er lag still im dunstigen Licht. Im Zimmer war es ziemlich kühl, und draußen konnte er das Mädchen hören, wie es die Waschbären neckte und auf die Käfigsprossen scheuchte. Er stand leise auf, zog sich in der Ecke an und trat mit seinen Schuhen in der Hand aus der Tür. Draußen hatte das Mädchen eine Decke auf den Boden gelegt, und er trug sie herein, breitete sie über die Frau aus und deckte sie zu, bis sie mit ihren Fingern den Saum faßte, die Decke um sich herumwickelte und weiterschlief. Er ging die Treppe hinunter in den Laden, wo die Kühltruhe leuchtete und der Kompressor im Dunkeln summte. Er nahm ein Mars aus einem Plastikglas, eine Cola aus dem Kühlschrank und trat auf den Hof hinaus. Die Luft war schwer vom Duft des Salbei.
    Das kleine Mädchen blickte auf, als sie die Tür schlagen hörte, und spielte dann weiter mit den Waschbären, als sie sah, daß er es war.
    »Haben Sie sich ein Mars genommen?« fragte sie, ohne ihn anzuschauen.
    »Und eine Cola«, sagte er, drückte sich Schokolade aus den Zähnen und warf einen Blick auf die Käfige.
    »Siebzehn Cent«, sagte sie.
    Ihr beinahe weißes Haar war durchsetzt von lauter feinen goldenen Fäden. »Ich hab Ihnen eine Decke rausgelegt«,

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