Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Ein Stueck meines Herzens

Ein Stueck meines Herzens

Titel: Ein Stueck meines Herzens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Ford
Vom Netzwerk:
und steuerte dann auf das Haus zu. Ihr Pferdeschwanz wippte auf ihren Schultern, als sie im Laden verschwand und die Drahttür zuschmiß. Er hörte, wie sie drinnen die Treppe hochlief. Er schaltete in den Leerlauf und sah auf die Tür, als wartete er darauf, daß die Frau und das Mädchen wie Bluthunde herausstürzten. Aber es kam niemand, und er ließ den Pickup auf die Straße hinausrollen. Er beobachtete das Haus im Rückspiegel, während es langsam verschwand, und war zufrieden bei dem Gedanken, daß die Frau, wenn sie erwachte, die Welt gleich lieber mögen würde und sich selbst und Larry und vielleicht auch ihn.
    Um Viertel nach acht war es dunkel. Er fuhr durch Tucumcari, eine Straße, an der Milchbars und mit grauem Mörtel verputzte Häuser lagen, mit Lampen, die im Dunkel wie gefroren wirkten. Er musterte die Drive-In-Parkplätze und suchte in den erleuchteten Cafés nach jemandem, der vielleicht der Bruder des Mädchens war, irgendein Junge, der an ein Haus gelehnt dastand und darauf wartete, wieder nüchtern zu werden. Er hielt nach einem Pritschenwagen Ausschau, hinten auf den Schotterparkplätzen, aber er sah nichts, das zu dem Bild, das er sich gemacht hatte, passen wollte: ein Junge, der eine Flasche an ihrem dünnen Hals hielt und mit schielenden Augen zum Himmel starrte, als ob er irgendein Rätsel, das ihn plagte, noch nicht gelöst hätte. Am Stadtrand im Osten hielt er an, aß etwas Mexikanisches und eine Schüssel Pudding, fuhr die fünfzig Kilometer nach Glenrio und von dort vor Mitternacht an den Schildern vorbei nach Texas hinein.

9
    In der Nacht war er über die flache Kruste Texas’ nach Oklahoma gefahren. Nach zwei Uhr verkrampften sich seine Beine, und seine Augen wurden unzuverlässig und sahen plötzlich am Straßenrand im Licht der Scheinwerfer Gestalten, die verschwanden, wenn der Pickup in sie hineinfuhr. Um halb drei fuhr er den Pickup in eine Pecanplantage, schlief eine Stunde auf einem Holztisch und erwachte im kühlen Duft grüner Pecannüsse, rieb sich Tau in die Augen und fuhr nach Arkansas hinein.
    In dem Brief in seinem Schuh stand:
    Robard. Ich habe hier ein Beutelchen und weiß, was ich damit mache, wenn ich dich nackt vor mir sehe. Ich kann nicht ewig warten. Du mußt kommen und es dir holen. Das hier bin ich. Beuna.
    Unterhalb ihrer Unterschrift war ein Fleck auf dem Papier, wo sie etwas Feuchtes hingepreßt hatte. Sie hatte es dann trocknen lassen, bevor sie es in den Umschlag geschoben hatte, und das Papier war zerknittert und hatte eine fischige gelbe Farbe angenommen, klebte aber nicht zusammen. Sie hatte mit Tinte einen Kreis darum gemalt und einen Pfeil, der von den Worten »Das hier bin ich« herunterzeigte. Ihm wurde heiß. Aber es stimmte auch, daß, nachdem diese Erregung abgeklungen war, alles weitere unklar blieb. Soweit er sich erinnern konnte, war Helena eine unkrautüberwucherte Baumwollplantage am Rande des Delta. Er war 1959 dort in der Gegend gewesen, hatte bei der Missouri-Pacific in Memphis gearbeitet und war immer in Frachtzügen nach Helena zurückgefahren, um Miete zu sparen, hatte zwei Tage in der Woche mit der Cousine seiner Mutter zusammengewohnt und beide Nächte mit Beuna unterm Dach geschlafen. Dann hatte er den ganzen Tag herumgelungert und darauf gewartet, daß es wieder dunkel wurde. Alles in allem waren es vielleicht fünfzehn Tage, die er in Helena, Arkansas, verbracht hatte, was ihn nervös machte, wenn er genauer darüber nachdachte. Denn eine Bekanntschaft von fünfzehn Tagen war vielleicht ein bißchen wenig, um darauf hoffen zu können, daß er nach zwölf Jahren wiederkommen und mitten unter den Leuten das fortsetzen konnte, was er fortsetzen wollte, und alles so regeln konnte, wie er wollte, ohne daß er irgendeinen Schnitzer machte und irgend jemandem etwas Ungewöhnliches auffiel. Und das einzige, dachte er, was er tun konnte, war, schnell und schlau genug zu sein, um rechtzeitig zu verschwinden, bevor die Schießerei losging.
    Er hatte sich ein paar Dinge klargemacht, bevor er Bishop verließ, hatte am Fliegendraht gestanden und sich gesagt, daß er, wenn er schlau sein wollte, niemanden ins Vertrauen ziehen durfte, weil es niemanden gab, dem er trauen konnte, und es auch keinen Grund gab, zu glauben, daß der Ort oder irgendeiner der Leute irgendwie besser oder wohlwollender oder verständnisvoller sein würde, als sie es früher gewesen waren. Damals hatte er es auf ehrliche Weise versucht, hatte für den alten Rudolph

Weitere Kostenlose Bücher