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Ein Stueck meines Herzens

Ein Stueck meines Herzens

Titel: Ein Stueck meines Herzens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Ford
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gearbeitet und war von der althergebrachten Schäbigkeit, die den Ort und jeden darin vergiftete – wie Luft, die man nicht atmen, ohne die man aber auch nicht leben konnte – vertrieben worden. Er hatte sich das einfach immer wieder gesagt, während er an der Tür stand und darauf wartete, daß es richtig dunkel wurde, und als er Bishop schließlich verließ, hatte er es sich fest eingeprägt.
    Aber tief im Innern, was auch immer er vorhatte, verließ er sich doch darauf, daß der Ort ihn lange genug unterstützen  würde , damit er tun konnte, was er sich vorgenommen hatte, und ihn in einem gewissen Sinne dafür belohnen würde, daß er dort geboren war und den gutherzigen Versuch gemacht hatte, dazubleiben, auch als es schon klar war, daß so jemand wie er nicht dableiben  sollte . Und als ihm klar wurde, daß er sich dieses Zutrauen bewahrt hatte, allem, was er sich eingeredet hatte, zum Trotz, da hatte er das starke und unerschütterliche Gefühl gehabt, daß er irgendwo einen Fehler gemacht hatte und daß er, ohne noch ein Wort zu verlieren, auf der Stelle umdrehen und nach Bishop zurückfahren sollte. Aber da war es schon zu spät, und er konnte nicht mehr umkehren, nicht, nachdem er schon so weit gekommen war. Und nun mußte es die Sache auch wirklich wert sein.

10
    Er frühstückte in Little Rock, ging wieder nach draußen und durch die Kälte zur Telefonzelle. Er zog seinen Schuh aus, fischte den Brief heraus und glättete ihn auf dem Brett, wo er sehen konnte. Er bekam Helena, schrieb die Nummer unten auf den Brief direkt unter die Stelle, wo »Das hier bin ich« stand, und wählte die Vermittlung. Weit weg begann das Telefon zu läuten. Langsam tauchten die ersten Autos auf. Er schaute zu, wie zwei Polizisten aus dem Café schlenderten, sich vor seinen Pickup stellten, ihn musterten und so redeten, als ob sie ihn kaufen wollten, dann über irgend etwas lachten und vom Parkplatz des Cafés herunterfuhren.
    Eine Stimme meldete sich am Telefon, die ein ganzes Stück vom Hörer entfernt war. »Ja«, sagte die Stimme.
    »Beuna?« Er kriegte das Wort kaum heraus.
    »Was glaubst du denn?« sagte sie. Er hörte, wie der Hörer gegen etwas Hartes schlug, als versuchte sie, mehr Wörter herauszuhämmern.
    »Wer ist denn da?« fragte sie, und ihre Stimme wurde schwächer, dann wieder stärker. »W. W., das ist hoffentlich nicht wieder dein beschissener Trick.«
    »Ich bin’s«, sagte er und spürte, wie die Worte in seiner Kehle steckenblieben.
    »Ich leg auf«, sagte sie. Er konnte hören, wie sie auf der Telefongabel herumschlug. »Vermittlung, rufen Sie den Sheriff«, sagte sie.
    »Hier ist Robard«, flüsterte er. Und alles schien zurückzuweichen, als hätte sich die ganze Welt wie ein Panorama in den Hintergrund geschoben und er stünde, einsam und ungeschützt, im schrecklich leeren Zentrum. Ein fischiger Schweiß kroch an seinen Handflächen hoch, und sein kurzes Haar stand zu Berge.
    »Wer?«
    »Robard.«
    »Oh, Scheiße!« sagte sie, als ob dort, wo sie gerade war, irgend etwas Ekelhaftes passiert wäre.
    »Beuna?«
    »Wo bist du? Mein Gott!«
    »In Little Rock«, sagte er, nahm den Hörer in die andere Hand und wischte sein Gesicht ab.
    »Ich komme und hol dich ab«, sagte sie, völlig außer Atem.
    »Nein«, sagte er. »Ich komme ja. Tu überhaupt nichts.«
    »Robard, es ist mir so dreckig gegangen«, sagte sie schluchzend. »Ich krieg das Flattern, wenn ich dich höre.«
    »Tu überhaupt nichts«, sagte er. Seine Hände begannen zu zittern.
    »Robard?«
    »Was?«
    »Ich komme gleich am Telefon.«
    »Jetzt nicht«, sagte er.
    »Aber ich komme gleich, es geht einfach los.«
    »Nein, hör jetzt auf damit, verdammt noch mal!«
    »Ich kann nichts dafür, bei dir kommt’s mir einfach.«
    »Nein!« schrie er in den Hörer.
    »Robard?«
    »Was?«
    »Können wir irgendwo hingehen? Es ist doch nicht weit.«
    »Wir werden sehen«, sagte er. Seine Stimmung verdüsterte sich, als hätte ihn eine Erregung gepackt, die er in den Griff bekommen mußte, aber kaum dämpfen konnte.
    »Robard?«
    »Was?«
    »Ich hab meinen kleinen Beutel.«
    »Ich weiß.« Er sah den kleinen Beutel vor sich, ohne genau zu wissen, was es damit auf sich hatte.
    »Wir müssen schon nach Memphis, ums zu machen. Da im Peabody Hotel gibt’s diese Zimmer mit so ’ner Dusche, die acht Düsen hat und einen überall gleichzeitig trifft.«
    »In Ordnung«, sagte er keuchend.
    »Robard?«
    »Was?«
    »In so ’nem Ding möchte ich es mit dir

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