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Ein Stueck meines Herzens

Ein Stueck meines Herzens

Titel: Ein Stueck meines Herzens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Ford
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und wollte wieder losgehen.
    Er versuchte, den Mann richtig einzuschätzen und was er hier wohl tat in der Hitze, wie ein Bankangestellter gekleidet, aber er konnte es nicht. »Steigen Sie ein«, sagte er kurz angebunden.
    »Wieso das denn?« fragte der Mann.
    »Ich nehme Sie mit. Sie müssen nicht in der Hitze rumlaufen.«
    »Sind Sie sicher, daß ich Ihnen nicht den Job wegnehmen will?« fragte der Mann, öffnete die Tür, blieb aber stehen und schützte die Augen vor der Sonne.
    »Nein«, sagte er und schaute trübsinnig weg auf die Felder. »Aber wenn Sie lügen, überfahr ich Sie mit diesem verdammten Pickup.«
    »Das ist nicht das schlechteste Angebot, das ich heute bekommen habe«, sagte er und glitt auf den Sitz. »Wenigstens weiß ich, woran ich bin. Newel heiße ich.« Er streckte seine Hand aus.
    »Namen sind ’nen Dreck wert«, sagte er.
    »Von mir aus, also meiner ist Newel«, sagte er, wischte sich mit derselben Hand wieder den Schweiß ab und ließ sie dann aus dem Fenster hängen.
    »Hewes«, sagte er sanft und wünschte, er hätte ihn nicht zu sagen brauchen. »Merken Sie sich ihn erst gar nicht. Alles, was ich dazu noch sagen könnte, wäre sowieso völlig unwichtig.«

Teil II
Sam Newel

1
    Im Taxi hatte er begonnen, noch einmal den ersten Tag zu überdenken, und sich für jeden einzelnen Augenblick getadelt. Er hatte ein Zimmer an der Harper Avenue gefunden, aus dem Giebelfenster gespäht, hatte zwischen den Giebeln gestanden und frische Luft reingelassen, die die Atmosphäre veränderte und um seine Taschen und unter dem Bettgestell zirkulierte, während er sich hinauslehnte, die Witterung einsog und versuchte, sich darauf zu konzentrieren, ein Gefühl für die Stadt zu bekommen. Bevor er Columbia verließ, hatte er sich gut zugeredet, daß Chicago, mitten im Land gelegen, ein vortrefflicher Ort sei, um Jura zu studieren. Die Luft roch nach Stapeln von Zeitungen, und die Stadt wirkte niedergedrückt und muffig wie ein Pfandleiher. Am nächsten Morgen war er im dunklen Nebel durch den Jackson Park hinunter zur langen Betonpromenade gestapft und hatte die Sonne des mittleren Westens gemustert, die jenseits der Bojen immer größer wurde und den Himmel maisfarben, kupfer- und magentarot brannte, bis der Tag ganz heraufgezogen war. Und schließlich hatte die Zeit wie eine unendlich wiederholte Beschwörungsformel auf ihn eingewirkt, und die Luft hatte nach dem abkühlenden Brot gerochen, das auf den Straßen ausgefahren wurde, vermischt mit dem Geruch des Nebels. Und er war wieder ins Bett gegangen und hatte sich erhoben gefühlt und voller Elan. Was beweist, dachte er, während das Taxi im Regen den Midway hinunterschoß, daß etwas Gutes nicht von Dauer ist.
    Am Bahnhof sprühten die Regentropfen schon funkelnd vom Kopfsteinpflaster hoch. Er ging hinein, kaufte sich eine Fahrkarte, stellte seinen Koffer am Ende einer Bankreihe ab und ging nach draußen unter das Vordach, um an der Luft zu sein. Ein Taxi glitt darunter, entließ einen Fahrgast und schoß wieder auf die Avenue hinaus. Er ging den Bürgersteig im Schutze des Bahnhofs hinunter, bis er die Lichterkette der Michigan Avenue sehen konnte, die sich oberhalb der Randolph Street zum strahlenden Glanz des Wrigley Buildings aufhellte. Er spürte die alte Heiterkeit, die er sich so gern erhalten hätte, damit er es nicht nötig hatte, sich mitten in der Nacht auf eine verrückte Reise zu begeben, deren Sinn und Zweck ihm nicht einmal klar war. Seine ganzen Erwartungen trübten sich, und er fühlte den Drang, Beebe anzurufen und sich von ihrem Taxi abholen zu lassen, was sie, wie er wußte, entzücken würde.
    Der Wind drehte wieder. Sein Zug wurde ausgerufen, und er ging durch die Halle zurück in die Arkaden, um seine Tasche zu holen. Eine Gruppe elegant gekleideter Schwarzer stand vor den Schwingtüren zu den Zügen. Sie redeten lautstark und reichten einer dicken Frau, die sich auf die Reise machte, stapelweise Pakete. Alle Männer trugen rote Nelken. Er kam ans Ende der letzten Bankreihe und sah, daß seine Tasche weg war. Ein kleiner Junge mit hängenden Augenlidern, das Kind eines der Schwarzen, saß noch auf der Bank, wo seine Tasche gestanden hatte, und patschte träge mit seinen Händen.
    Die Schwarzen redeten nun noch lauter, und ein Mann brüllte plötzlich etwas, das wie »Backwaren« klang, und alle umarmten die Frau mit den Paketen. Der kleine Junge stand auf, schaute beiläufig über seine Schulter, verzog den Mund und wandte

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