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Ein Stueck meines Herzens

Ein Stueck meines Herzens

Titel: Ein Stueck meines Herzens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Ford
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sich irgendwann trennte und mit seinem bisherigen Leben brach, die Entscheidung dafür schon viel früher gefallen war. Man beurteilte die Situation, erwog die verschiedenen Möglichkeiten und entschied sich für eine, nachdem man alles berücksichtigt hatte. Auf diese Weise, dachte er, regelte man sein Leben, von Überraschungen einmal abgesehen. Als er Hazen verließ, hatte er eine lange Zeit des Grübelns und Herumrätselns hinter sich. Die verschiedenen Argumente wurden gegeneinander abgewogen und die Antwort schließlich gefunden, auch wenn sie ihm mitten in der Nacht aufging und töricht wirkte, obwohl sie es nicht war. Aber nun fragte er sich, ob Entscheidungen nicht in Wirklichkeit umgekehrt getroffen wurden: erst handelte man in bestimmter Weise, und dann dachte man sich einen Grund dafür aus, je nachdem, wie viele Leute man verletzte oder glücklich machte. Und ob es nicht einfach blanke Verkennung war, wenn man glaubte, daß Entscheidungen auf irgendeine andere Weise getroffen wurden. In diesem besonderen Fall schien gar keine Entscheidung nötig zu sein. Es ging nur darum, zu handeln und die passenden Erklärungen später zu liefern, wenn er sah, wie sich alles entwickelte. Deshalb war das einzige, das er wegen Jackie tun konnte, die zu Hause lag und Pläne machte, zu sehen, was passierte, und dann eine Postkarte zu schreiben.
    Das Mädchen kam zurück und trug ein Tablett mit einem Bier und einem Sandwich. Sie lächelte, hakte das Tablett ans Fenster und wischte die Hände an ihrer Hose ab.
    »Möchten Sie sonst noch was?« fragte sie, riß den Bestellzettel ab und legte ihn auf die Gummimatte. Sie hatte einen schmalen Damenbart an der Lippe, den sie bleichte.
    »In welcher Richtung liegt diese Luftgewehrfabrik?« fragte er und versuchte, sie zwischen den Soßenflaschen hindurch anzublicken.
    Das Mädchen starrte zur Stadt zurück und hob ihren Finger.
    »Da lang«, sagte sie und schaute stirnrunzelnd Richtung Memphis.
    »Und in welcher Richtung ist dann Elaine?« Er leckte die Mayonnaise vom Rand des Sandwichs ab.
    »Da lang«, sagte sie und zeigte den Highway hinunter, der am Drive-In vorbeiführte und in den Nadelwäldern verschwand. Sie hatte viel Rouge aufgetragen, und um ihre Nase herum waren lauter braune Fleckchen, die wie Sommersprossen aussehen sollten. »Zehn Kilometer«, sagte sie. »Das besteht bloß aus einem Laden, einer kaputten Gin 1  und einem Angellager hinter dem Damm, das so ’nem alten Mann gehört. Ich bin oft dagewesen, als ich noch verheiratet war.«
    »Und jetzt sind Sie nicht mehr verheiratet?« fragte er und überlegte, wer so jemanden wie sie überhaupt heiraten würde.
    Sie schüttelte den Kopf und sah verärgert aus. »Ich hab ihn verlassen«, sagte sie.
    »Weshalb?«
    Das Mädchen entfernte eine trockene Haarsträhne von ihrer Wange. »Er hat mir meinen ganzen Lebensstil versaut.«
    »Aha. Würden Sie sagen, daß Elaine so weit wie möglich von der Luftgewehrfabrik entfernt ist?«
    Sie drehte sich um, schaute einen Augenblick auf das Restaurant und wandte ihm dann wieder ihr Gesicht zu.
    »Meiner Meinung nach gibt’s ’ne ganze Menge Orte, die weiter von der Luftgewehrfabrik entfernt sind als Elaine, Arkansas, aber ich glaube nicht, daß Sie einen mieseren finden.«
    »Ich muß ’nen unauffälligen Ort finden, von dem ich aber gut zur Fabrik rauskomme, wenn’s nötig ist.«
    »Was Unauffälligeres als den werden Sie bestimmt nicht finden«, sagte sie.
    »Dann wär’s das wohl«, sagte er, lächelte sie an, das Mädchen trommelte mit den Fingernägeln auf das Tablett und ging ins Restaurant.
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    1 Baumwollentkörnungsmaschine

13
    Die River-Road führte zwölf Kilometer an den Telefonleitungen entlang in sumpfige Felder und Pecanplantagen, wand sich dann wieder durch die Zypressen zurück und folgte dem kiesigen Ufer des alten Flusses, der ein langes glitzerndes Hufeisen bildete, das an beiden Enden von grün-orangenen Wassereichensümpfen begrenzt wurde.
    Die Straße schlängelte sich schließlich zurück in die Felder, vorbei an abgestellten Baumwollwaggons und silbrigen Ammoniumtanks auf Anhängern, die in der Sonne wie glasiert wirkten. Er musterte den langen grasbewachsenen Damm, der, bernsteinfarben und flach, vom Rand des Sumpfes bis an das eigentliche Schwemmland heranführte, hinter dem das dunkle offene Land lag und vor das der schützende Damm gebaut worden war.
    Elaine bestand nur aus einem hölzernen Lebensmittelladen am Highway, umgeben von feuchten,

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