Ein Stueck meines Herzens
»Wenn du keinen Blinddarm mehr hast, dann kannst du doch kauen, was du willst.«
Sie schaute Mr. Lamb gelassen an, und dem alten Mann schien es ein gewisses Vergnügen zu bereiten, sie zu verspotten, aber das war schnell wieder vorbei, und er versank erneut in seiner schlechten Laune. Landrieu, der in der Küche saß und gekochte Eier in Scheiben schnitt, stieß gerade entschlossen durch die Schale eines Eis und ließ Eiweiß und Eigelb in zwei Schüsseln plumpsen.
»Ich weiß nicht, ich weiß nicht«, sagte der alte Mann, preßte seine kleinen Hände fest zusammen und begann, einen Daumen um den anderen kreisen zu lassen, was ihn für einen Moment stark in Anspruch nahm, als wäre es gar keine leichte Aufgabe, sie beide gleichzeitig in Gang zu halten. »Erst wird mir der Brunnen versaut, was in den letzten fünfzig Jahren nie vorgekommen ist. Dann geht die Truthahnsaison den Bach runter, und jetzt steht die verdammte Pacht an.« Der alte Mann blinzelte ihn an, als überlege er, ob er ihn noch als vierte Plage dazurechnen sollte. »Da stimmt doch was nicht, was, Newel?«
»Ich weiß es nicht«, sagte er und hoffte, er müßte es nicht noch mal sagen.
»Aber ich weiß es«, sagte Mr. Lamb, kochend vor Wut. »Ich weiß nur nicht, was zum Teufel da nicht stimmt. Aber alles geht mächtig schief.«
Der alte Mann versank noch tiefer in seinem Stuhl, bis sein Gesicht nur noch zwanzig Zentimeter über der Tischplatte hing, und im ganzen Haus war es still, bis auf die tropfenden Dachtraufen und das Quietschen von Landrieus Stuhl, der näher an seine Schüsseln heranrückte. Die Luft war warm und schwer und lastete mit ungeheurem Druck auf allem.
Mrs. Lamb stand auf, schaltete das Deckenlicht aus, schlenderte ins Wohnzimmer und ließ sie in einem grauen Licht zurück. Sie schob ihren Stuhl neben das Radio und begann, sich mit einem Kirchenfächer aus Pappe, der mit einem sepiafarbenen Bild der Niagarafälle verziert war, Luft zuzufächeln. Er spürte einen heißen Schweißtropfen an seiner Schläfe, während der alte Mann grimmig in die Gegend starrte.
»Ich wußte nicht, daß Sie’s gepachtet haben«, sagte er, weil er seinen Mund nicht halten konnte.
»Ich hätte es nicht tun sollen«, jammerte Mr. Lamb. Mrs. Lamb fächerte sich Luft zu und strich sich einzelne Härchen aus der Stirn. »Diese verdammte Insel sollte mir gehören«, sagte er. »In diesem August habe ich sie seit fünfzig Jahren. Ich habe sie Mrs. Lamb geschenkt« – er ließ seinen Daumen hervorschnellen und zeigte in ihre Richtung –, »als Geburtstags- und Hochzeitsgeschenk zusammen. Ich habe nicht gedacht, daß ich noch fünfzig Jahre leben würde, und bei ihr auch nicht.«
»Und wem gehört die Insel?«
Der alte Mann kniff seinen Mund mit den Fingern und schloß die Augen beinahe ganz. »Die Chicago Pulp und Paper besitzt die Übertragungsurkunde«, sagte er schnell.
»Aber werden die denn nicht verlängern?«
»Doch, das denke ich schon«, sagte der alte Mann ernst.
»Dann werden die Sie ja auch nicht zwingen, die Insel zu verlassen.«
»Ich denke nicht.« Mr. Lamb saß da und starrte abwesend auf die offene Küchentür. Landrieu schien sich beobachtet zu fühlen und rückte mit seinem Stuhl weg, bis er nicht mehr zu sehen war.
»Dann ist’s gar nicht so schlimm«, sagte er.
Der alte Mann blinzelte aufgeregt. »Derjenige, der hier feststellt, was schlimm ist und was nicht, bin ich! Und es gefällt mir gar nicht, daß diese schmierigen Kanaken in ihren klapprigen Flugzeugen hierherkommen, und ich muß sie dann durch die Gegend kutschieren, als wär ich ’n Busfahrer. Es ist einfach erniedrigend.« Seine Augen funkelten wieder zornig. »Die kommen hier alle fünf Jahre runtergeflogen, hängen hier rum, mischen sich in alles ein und markieren meine Bäume, als wäre ich nicht seit fünfzig Jahren hier. Kein einziger von denen war da, als ich das Land gerodet habe, die sind alle neu. Und ich habe nicht übel Lust, diese Landebahn, die sie sich da gebaut haben, umzupflügen, und dann sollen sie mit ihrem Flugzeug im Wald landen, und ich bin sie endgültig los.« Der alte Mann rieb sich die Hände, als wären sie zwei warzige Rindenstücke.
»Es scheint aber doch wichtiger zu sein, daß Sie das Land behalten«, sagte er im Versuch, überlegt zu erscheinen. »Sie könnten sich doch einen Rechtsanwalt nehmen, der die Leute herumführt, und Sie und Mrs. Lamb müßten nicht einmal da sein.«
»Ein Rechtsanwalt«, sagte er aufgebracht. »Ich
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