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Ein Stueck meines Herzens

Ein Stueck meines Herzens

Titel: Ein Stueck meines Herzens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Ford
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war, und es trotzdem nicht wehtat. Er zog seine Hand weg, und eine Wespe klebte immer noch an seinem Mittelfinger, und ihr Stachel stak in Peewees Fleisch. Und Peewee lachte und schnippte die Wespe weg, wie er ein Streichholz wegschnippen würde, und ließ den Stachel einfach in seiner Hand. Nachdem er lange auf Peewees Hand gestarrt hatte, die neben seinem Highballglas auf der Matte aus Kunstgras baumelte, sagte er zu seiner Mutter, daß er gern noch einmal im Golf schwimmen würde, bevor er ins Bett ging. Und als er lange im braunen, brackigen Golfwasser gestanden und auf dem weißgewaschenen Pier des Hotels die alten Männer beobachtet hatte, die Krabbennetze ins seichte Wasser tauchten, konnte er die blauen Röhrenquallen sehen, die mit der Flut hereintrieben und auf dem sanften Wellenkamm zum Strand schwammen, und er überlegte, ob sie ihn wohl stechen würden, wenn er mit seinen Beinen zwischen ihre zottigen Tentakel geriet.

3
    Er verbrachte den Tag schlechtgelaunt im Bett und dachte über Beebes Vater nach, der der Rechtsanwalt für die Stadt Jackson gewesen war und in dem Augenblick begonnen hatte, wirklich ernsthaft Whiskey zu trinken, als ihn das Schicksal auf den besten Weg zum Obersten Gericht des Staates gebracht hatte, und der dann eine Menge Energie darauf verwendet hatte, betrunken im Gerichtssaal zu erscheinen, alberne Unterlagen einzureichen, unbesonnene Kommentare abzugeben und sich schließlich auf Kosten der Richter und Geschworenen in ganz Mississippi allgemein verhaßt zu machen.
    Er konnte sich noch genau daran erinnern, wie er auf der Veranda von Beebes altem gelbem Haus im Kolonialstil gesessen hatte, während eine Horde von Impalas und Town Wagons auf der Einfahrt stand und Hollis auf und ab ging und die Rechtsprechung von Mississippi mit dem Napoleonischen Code Louisianas verglich und versuchte, ganz genau auf den Punkt zu bringen, was es bedeutete, im Staate von Mississippi Anwalt zu sein.
    Hollis war ein kleiner, impulsiver Mann mit rabenschwarzem Haar und kurzen Armen, der in Augenblicken besonderer Überspanntheit Senator Theodore G. Bilbo feierte. Während er sprach, schritt Hollis gewöhnlich von der Veranda ins Wohnzimmer, ohne sich zu unterbrechen, machte eine Runde durch das Zimmer, nahm irgendeinen belanglosen Gegenstand vom Tisch und brachte ihn mit auf die Veranda hinaus, um ihn bei der nächsten Runde schließlich wieder zurückzustellen und dafür mit etwas anderem zu erscheinen, einem Feuerzeug oder einer Perlmuttfigurine oder der gerahmten Fotografie von irgend jemandem, alles, womit er nur gut herumspielen konnte, während er weiterredete. Er hatte dann begriffen, daß dies Hollis’ höchster Kunstgriff im Gerichtssaal war, ein Schachzug, um die Aufmerksamkeit der Geschworenen von dem, was er sagte, abzulenken und auf den Gegenstand zu richten, den er gerade mit sich herumtrug. Damit lullte er sie ein, so daß sie dem, was er sagte, nur noch unaufmerksam folgten, weil er sie mit dem, was er da in der Hand hielt, viel stärker zu fesseln vermochte. Und auf diese Weise hatte er ihnen die Überzeugung eingeimpft, daß er offenbar etwas sagte, dem zuzuhören sich lohnte, sonst würden sie ihm ja nicht alle so gebannt folgen.
    Auf der Ole Miss hatte Hollis einen quälenden nervösen Tic entwickelt. Am Schluß jedes längeren Satzes, der absichtlich in einem Schwall von kurzen harten konsonantischen Lauten endete, die in einem ansteigenden Tremolo der Stimme kulminierten, als stellte er gerade eine Frage, zerrte Hollis seinen linken Mundwinkel herunter und wild zur Seite und machte einen Ruck mit seinem Körper, als hätte ihn ein Pferd getreten, und zwar so, daß es aussah, als hätte er bloß versucht, sich mit seinem Kinn an der Schulter zu kratzen. Er drehte sich dann sofort auf dem Absatz herum und schritt in der Richtung davon, in die der Tic ihn getrieben hatte, und wenn der Zuhörer nicht genau hingesehen oder gerade weggeschaut hatte, dann konnten die Schnelligkeit dieses Rucks und das Ausweichmanöver der Drehung den Tic gänzlich kaschieren, so daß der Zuhörer, der vielleicht ohnehin schon von dem gefesselt war, was Hollis in der Hand hielt, gar nichts bemerkte, aber überzeugt war, daß etwas Herzzerreißendes geäußert worden war, auch wenn er es selber nicht gehört hatte.
    An dem Nachmittag hatte Hollis begonnen, einen kleinen Porzellanvogel mit sich herumzutragen, der wie eine stilisierte Nachbildung eines Fregattvogels aussah. Er hatte ihn regelmäßig mit

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