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Ein Stueck meines Herzens

Ein Stueck meines Herzens

Titel: Ein Stueck meines Herzens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Ford
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Vorraums, ging durch das Zimmer direkt ins Wohnzimmer und verschwand um die Ecke, ohne ein Wort zu sagen. Er trug Gummistiefel, die ihm bis unter die Knie reichten, und einen langen Regenmantel, der bis an die Stiefel herunterhing, so daß er aussah wie eine kleine Glocke mit einem langen Klöppel. »Scheiße!« brüllte er von irgendwoher. »Verdammtes Arschloch.«
    Mrs. Lambs Augenbrauen zogen sich wieder fest zusammen, sie schob die Unterlippe vor und legte die Hände auf den Tisch und wartete, daß Mr. Lamb wieder von dort auftauchte, wo er wütete und fluchte und herumpolterte. Er hatte in diesem Augenblick das Gefühl, daß er nichts lieber täte, als sofort zu verschwinden, und hoffte nur, daß ihn der alte Mann, als er vorbeiging, nicht bemerkt hatte. Mrs. Lamb jedoch nahm alles mit Schweigen auf und in der Erwartung, daß Mr. Lamb gleich zurückkommen und es ihm nicht passen würde, wenn irgend etwas anders war, als er es gerade gesehen hatte. Er legte seine Gabel so unauffällig wie möglich hin, zog seine Beine an und legte die Hände in den Schoß.
    »Arschlöcher, Arschlöcher«, gurgelte Mr. Lamb und kam dann plötzlich in Socken und ohne den Mantel um die Ecke. Er trug eine Segeltuchhose mit Hosenträgern und dasselbe rote Hemd mit den Wildenten auf dem Kragen. Er starrte sie beide zornig an und umklammerte die Rückenlehne seines Stuhls, und sein Gesicht war hochrot.
    »Was ist passiert, Mark?« fragte Mrs. Lamb geduldig.
    »Die Mistkerle kommen nicht«, sagte der alte Mann schäumend vor Wut. »Ich hab sie beide angerufen. Und beide haben gesagt, sie kämen nicht. Sagten, sie wär’n zu verdammt beschäftigt oder irgend so ’n Quatsch. Julius sagte, er hätte ’ne Gerichtsverhandlung, und Lonnie Wright sagte, er müßte nach Pennsylvania fliegen, um irgend so ’nem Nigger Geld rüberzuschieben, damit er bei den Ole Miss spielt. Wenn das nicht alles in den Schatten stellt, was ich je gehört habe! Weder der eine noch der andere hat vorher auch nur  ein  Wort gesagt. Diese Arschlöcher hatten nicht mal vor, mich anzurufen.« Sein Gesicht wurde finster.
    »Hatten sie gesagt, daß sie kommen?« fragte Mrs. Lamb.
    »Verdammt noch mal, ja. Sie kommen doch jedes Jahr, oder?« Mr. Lamb schaute sie an, als wittere er Verrat. »Sie müssen nicht extra sagen, daß sie kommen, sie kommen doch sonst immer, verdammt noch mal. Nur jetzt auf einmal kommen die Scheißer nicht, Gott verdammt.« Die Augen des alten Mannes schnellten plötzlich zu ihm herüber, als wäre er unzweifelhaft an allem schuld, aber einfach zu verachtenswert, als daß man ihn länger als immer nur einen kurzen Augenblick anschauen könnte.
    »Setz dich doch erst mal hin, Mark«, sagte Mrs. Lamb sanft.
    »Wozu denn, zum Teufel?« knurrte der alte Mann. »Wo sind bloß Anstand und gutes Benehmen hin? Das möchte ich wirklich mal wissen.« Er blickte wütend im Zimmer umher, als wären Anstand und gutes Benehmen irgendwo dort, wollten sich aber nicht sehen lassen. »Und wieso zum Teufel kann einem in der Truthahnsaison plötzlich irgendwelche Arbeit dazwischenkommen? Das möchte ich auch gern mal wissen!« Zwei winzige weiße Speicheltropfen sprossen in den Mundwinkeln des alten Mannes und drohten hinabzufließen.
    »Wisch dir den Mund ab, Mark«, sagte Mrs. Lamb.
    Der alte Mann schrubbte mit dem Hemdsärmel wild über seinen Mund, schmiß sich auf seinen Stuhl am Kopfende des Tisches und schaute sie beide vorwurfsvoll an. Seine Haare standen in zwei widerspenstigen Büscheln ab, die ihm ein wildes Aussehen gaben, während er am Kopfende des Tisches grollte wie ein betrogener Teufel.
    Im Zimmer wurde es plötzlich ganz still, und er dachte, jetzt wär’s vielleicht ein günstiger Augenblick. Aber der alte Mann ließ sie beide nicht los und war nicht bereit, auch nur einen Satz zu wechseln, ohne vorher eine schreckliche Strafe zu verhängen.
    Mrs. Lamb seufzte und schaute ihren Mann teilnahmsvoll an, während Mr. Lamb allmählich in eine noch tiefere Schwermut verfiel. Der alte Mann biß sich ein ansehnliches Stück seines Daumennagels ab und zerkaute es.
    »Mark«, sagte Mrs. Lamb, »du solltest nicht an deinen Nägeln kauen. Alle diese kleinen Nägel sammeln sich in deinem Blinddarm, und dann mußt du ihn dir irgendwann rausnehmen lassen. Als sie mir meinen rausgenommen haben, war er bis obenhin voll mit so kleinen sichelförmigen Splittern, und seitdem kaue ich nicht mehr an meinen Nägeln.«
    »Das versteh ich gar nicht«, brummte er.

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