Ein Stueck meines Herzens
ins Wohnzimmer getragen, war aber immer wieder mit demselben Vogel zurückgekehrt, den er mit den Fingern umsponnen hielt, als ob seine These jedesmal, wenn er sie wieder mit dem Vogel vereinte, zu immer noch größerer Bedeutsamkeit anschwoll.
Zum Dreh- und Angelpunkt seines Vergleichs wurde schließlich das Argument, daß in Louisiana Urkunden und juristische Dokumente nicht in einem zentralen Archiv gesammelt, sondern zusammen mit anderen Unterlagen von den Kreis-Friedensrichtern aufbewahrt wurden, die für die Bewilligung von Kopien und die Einleitung von Nachforschungen nicht festgesetzte Gebühren erhoben und durch diese Einnahmen über einen großen Geldtopf verfügen konnten, dessen Überschüsse ihnen und dem Gouverneur zugute kamen. Ein Beispiel für besonderen Einfallsreichtum sei Gouverneur Long, der Ernennungen als Gegenleistung für jegliche Beschuldigung und Blamage aussprach, die die Ernannten gegen irgendeinen Feind des Gouverneurs vorbringen konnten, wie etwa das Gerücht durchsickern zu lassen, daß bekannte Politiker Teilhaber von Bordellen in Bossier City seien, und dann nicht im Kreis zu sein, wenn Anwälte eintrafen, um die Urkunden zu prüfen.
»In Mississippi«, erklärte Hollis mit raunender Stimme und warf einen nüchternen Blick auf den Fregattvogel, als verdiente er ein ganz besonderes Maß an Aufmerksamkeit, »ist das System wesentlich einfacher, oft zu einfach für meine Begriffe. Es wird den Leuten manchmal viel zu leicht gemacht, Prozesse zu führen. Aber unsere Urkunden und das Staatsarchiv befinden sich immerhin im Regierungsgebäude« – und er zeigte mit dem Vogel in die ungefähre Richtung des Gebäudes, das mehrere Kilometer entfernt in der Stadt lag – »und ein Gerichtsverfahren unterliegt bei uns nicht dem System, das drüben, auf der anderen Seite des Flusses, soviel Bestechung fördert.« Er runzelte die Stirn, schaute verwirrt nach Louisiana hinüber und endete mit einem hohen Tremolo in der Stimme, dem das Zucken seines Mundes folgte, woraufhin er sich sofort ins Wohnzimmer entfernte, aber gleich darauf wiederkehrte und den Vogel mit einem geistesabwesenden Blick in der Hand hielt, als sei sein Exempel doch nicht ganz aufgegangen. »Ich will aber nicht behaupten«, sagte er wehleidig, »daß die Rechtssprechung in Mississippi interessant oder auch nur im geringsten unterhaltsam wäre, weshalb ich auch vor dem N.L.R.B. und dem I.C.C. praktiziere, wo das Geld zu holen ist, aber kein Ruhm.« Er warf einen Blick ins Wohnzimmer, das mit klobigen Ohrensesseln, stinkenden geblümten Sesselschonern und nicht zusammenpassenden Beistelltischen vollgestopft war, den einzigen Überresten von der Mitgift seiner Frau. »Das State Court von Mississippi ist eine zwanglose Angelegenheit – die brauchen einen Staatsanwalt, der die Menschheit ein wenig mehr liebt als das Recht, Empfindungen, die ich weniger hege als die Liebe zum Geld.« Und prompt entfernte er sich, wanderte durchs Wohnzimmer, schaute kurz in den Eßraum, als ziehe er schon einen zukünftigen Ausflug dorthin in Erwägung, und kehrte wieder mit dem Vogel zurück.
Er selbst war inzwischen tief in die Couch gesunken, hypnotisiert von dem Vogel, und nickte immer bloß, wenn Hollis’ Stimme sich wie zu einer Frage erhob, auf die sich eine Antwort erübrigte.
»Ich glaube, so kann ich das am besten erklären«, sagte Hollis und hielt den Vogel etwas höher, als wollte er ihn für sich selbst sprechen lassen. »Als ich Staatsanwalt war, wurde ich einmal aufgerufen, die Verhandlung über drei Neger zu führen, denen man vorwarf, das Haus von dem Land eines anderen Mannes gestohlen zu haben. Wir haben nie herausgekriegt, wie es ihnen genau gelungen war, das Haus fortzuschaffen , aber sie hatten es getan, und zwar in nur wenigen Stunden. Und kurz bevor ihr Verfahren eröffnet werden sollte, wurden sie in den Gerichtssaal geführt, gerade als ein anderer Fall abgeschlossen wurde. Die Geschworenen waren entlassen worden, und die Staatsanwälte unterhielten sich, und um den Tisch der Verteidigung herum war alles voll mit Unterlagen und Dokumenten, und der Amtsdiener führte sie einfach zur Geschworenenbank, setzte sie da hin, kettete sie mit Handschellen an die Balustrade und verließ wieder den Raum. »Die Männer hatten schon auf die Klage wegen Unterschlagung mit nicht schuldig plädiert«, sagte er, »und sollten sofort und ohne Geschworene vor Gericht gestellt werden. Die Zeit verging, und die anderen Staatsanwälte
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