Ein Stueck meines Herzens
gingen, und mein Vertreter und ich und der Anwalt der Neger kamen rein, mit einer Reihe von Zeugen, und schließlich der Richter und der Protokollführer. Der Amtsdiener kam überhaupt nicht wieder. Und wir nahmen alle Platz, und ich sah, daß die drei Neger ganz für sich auf der Geschworenenbank saßen und in die Gegend guckten, als hätten sie den absoluten Durchblick. Und der alte Richter nahm Platz und schaute zur Verteidigung und fragte: ›Ist die Verteidigung bereit?‹ Und sie sagten, sie wären soweit. ›Und ist die Staatsanwaltschaft bereit?‹ Und ich sagte, wir wären auch soweit. Und dann wanderten die Augen des Richters zur Geschworenenbank rüber, wo die drei Neger saßen, als würden ihnen die ganzen Stühle gehören. ›Und wer sind Sie?‹ fragte der Richter ziemlich unfreundlich, da Neger damals nicht als Geschworene zugelassen wurden. Und der eine große Neger, der einen Kiefer wie eine Schaufel hatte, sprang auf, riß sich die Mütze ab, griff nach der Balustrade und sagte: ›Na, wir sind doch die Diebe.‹«
Hollis hielt inne und starrte ihn vielsagend an, als erwäge er seine tiefe Faszination durch den Vogel. »Da haben Sie’s«, sagte er angeekelt. »Sofort hat man die Einstellung des Verfahrens wegen Verfahrensmängeln beantragt, und das ging durch, und alle drei kamen frei, obwohl ich später einen nach Parchman geschickt habe, weil er den armen Idioten, der gestanden hatte, erstochen hat.« Sein Kinn zuckte zu seiner Schulter hinüber, und er torkelte ins Wohnzimmer und kam nicht wieder.
Und er hatte sich gemerkt, daß die Rechtsprechung in Mississippi wahrscheinlich eine Mischung aus Schwachsinn und einer vornehmen Übergenauigkeit war, die keinen anderen Ausweg zuließ, als sich zu betrinken und nie wieder nüchtern zu werden.
Drei Jahre später fuhr Hollis eines Tages mit seinem Cadillac nach New Orleans, um einen Fall vor einem Arbeitsgericht zu vertreten, und fuhr in der Mittagspause auf die Huey P. Long-Brücke, stieg aus und sprang in den Fluß. Die Leute, die anhielten, um noch einen Blick auf den Mann zu werfen, der sich da im trüben Wasser abzappelte, sagten, daß Hollis durch eines dieser berüchtigten Mißgeschicke nicht im Wasser, sondern wie ein Sack voll Nägel auf dem Betonpfeiler gelandet war. Aber mit großer Mühe sei es ihm gelungen, herunterzukriechen und sich ins Wasser zu stürzen, bevor irgend jemand die Leiter runterklettern konnte, um ihn zurückzuhalten, und er sei dann sofort untergegangen.
Beebe sagte, daß jeder begreifen konnte, warum er von der Brücke gesprungen war. Einige Leute hatten sich tatsächlich gefragt, warum er so lange damit gewartet hatte. Aber keiner, sagte sie, konnte verstehen, wie er’s dann noch vom Beton runtergeschafft hätte.
Und er hatte in seiner Wohnung an der 118. Straße oberhalb von Columbia gesessen und beschlossen, daß alles unter dreitausend Kilometern nicht sicher genug wäre, um ihn vor der Brücke zu bewahren. Oder schlimmer, daß er sich mit der Zeit an den Schwachsinn und die Langeweile und übertriebene Vornehmheit anpassen könnte, so wie jeder es dort tat, ohne daß es irgend jemanden besonders kümmerte.
4
Früh am Abend kehrte Robard zurück, zog sich sein grünes Rodeohemd an und ging wieder, wobei er murmelte, daß er noch was zu erledigen hätte. Er saß auf der Bettkante und fragte, was er denn vorhätte, und Robard lächelte bloß und verschwand aus der Tür.
Er legte sich hin und dachte über seine Pläne mit Beebe nach, da er Mrs. Lamb erzählt hatte, daß es keine gab, und versuchte herauszukriegen, was denn nun eigentlich stimmte. Er dachte an das Vergnügen, das es ihm bereitete, am Nachmittag mit der Stadtbahn hochzufahren, in Randolph auszusteigen, den Bus nach Goethe zu nehmen und dann noch zwei Blocks zu Fuß zu gehen. Um Mitternacht flog sie dann nach Tokio oder Addis Abeba, und er dachte nicht mehr an sie und fuhr wieder nach Hause. Und das gab ihm ein Gefühl der Zufriedenheit.
Einmal hatte sie einen Freund namens Ray Blier, in den sie verliebt war und der nach Annapolis gegangen war. Fast jedes Frühjahr im College hatte sie nur in der Erwartung gelebt, Nächte mit Ray Blier zu verbringen, und wann immer sich eine Gelegenheit bot, war sie nach New York geflogen und hatte sich so amüsiert, wie manche Frauen sich amüsieren, die sich bis an den Rand des Grabes bringen. Und es kam ihm merkwürdig vor, als sie damit aufhörte. Sie sagte, daß Ray Blier sich im War College mächtig ins
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