Ein Stueck meines Herzens
Zeug legte und es kaum erwarten konnte, zur Ole Miss Law School zurückzukommen, wo er sich sicher fühlte. Und sie sagte, daß das Gift wäre für eine Beziehung und daß sie es nicht wollte. Es gab Augenblicke, wo sie kam und nicht anrief. Und es gab Augenblicke, wo er das Telefon klingeln hörte und beschloß, daß sie es war, und nicht ranging. Und nie gab es Spannungen zwischen ihnen. Alles beruhte auf einer Unverbindlichkeit, die Pläne in irgendeinem gewöhnlichen Sinne nicht einbezog. Obwohl das alles etwas an sich hatte, was ihn mürbe machte und ihm die Gewißheit gab, daß es zu etwas Bitterem führen und ihn eines Tages überrollen würde, ohne daß er überhaupt merkte, wie es geschah.
5
»Haben Sie schon überlegt, was wohl mit meinem Auge ist?« fragte Mrs. Lamb, setzte ihre Tasse auf dem Wachstuch ab und betrachtete ihn durch einen Duft von Flieder, der noch intensiver war als gewöhnlich. Sie hatte erklärt, daß Mr. Lamb mit Fieber zu Bett gegangen war, sich mit seinem guten Ohr aufs Kissen gelegt hatte und sofort eingeschlafen war. Er empfand ein wenig Reue darüber, daß der alte Mann sich seinetwegen wutentbrannt ins Bett gelegt hatte, und es kam ihm in den Sinn, daß es wohl das beste wäre, nach dem Abendessen den Bus zu nehmen und den Morgenzug nach Chicago zu erreichen.
»Tut mir leid«, sagte er und tat so, als hätte er nichts an ihrem Augapfel bemerkt.
»Mein linkes Auge ist künstlich«, sagte sie, konzentrierte sich darauf, ihr Besteck wieder an die Tischkante zu rücken, und machte keinerlei Anstalten, ihr Auge in irgendeiner Weise vorzuführen. »Bevor Mark und ich 1919 heirateten«, sagte sie und lächelte in sich hinein, »hatte ich einen Job in einer Besenfabrik in Clarksdale, Mississippi. Mark versuchte, sich als Farmer niederzulassen, und ich schlug einfach nur die Zeit tot, bis wir endlich heiraten konnten. Es war lange vor dem Verbot der Kinderarbeit, wenigstens in Mississippi, und ich dachte, es wäre gut, wenn ich einen Job hätte, um etwas dazuzuverdienen. Mein Vater war um einiges älter, als er hätte sein sollen, um 1919 eine fünfzehnjährige Tochter zu haben. Und er arbeitete nur gelegentlich, als Baumwollschätzer, und verdiente gut, wenn man bedachte, wie wenig Zeit er damit verbrachte. Also bin ich gegen seinen Willen nach Clarksdale gegangen und habe einen Job bei den Choctaw Besenwerken angenommen und Besenenden mit roter Schnur umwickelt. Und eines Tages, als ich herauskam, um mich in den Schatten zu setzen, flog ein Besenstiel aus einer Kreissäge und traf mich direkt ins Auge, und deswegen hab ich’s verloren.«
Sie lächelte, und er versuchte, auf irgend etwas Einfühlsames zu kommen, das er ihr nun sagen könnte, mußte aber dagegen ankämpfen, nicht schnurgerade auf das Auge zu starren.
»Ich hatte furchtbare Angst, daß Mark mich mit meinem kleinen Glasauge sehen und mich dann verschmähen würde«, sagte sie nachdenklich und spielte mit dem Henkel ihrer Tasse, »und mich nicht mehr heiraten wollte. Und so habe ich ihn eine Zeitlang nicht getroffen.«
»Aber ihm hat’s nichts ausgemacht, oder?« fragte er und vermied, noch einmal auf das Auge zu schauen.
»Nein«, sagte sie. »Es hat ihn nicht gestört. Mark war damals ein begeisterter Farmer. Er hatte mehrere hundert Morgen Land zu bestellen, als er zweiundzwanzig Jahre alt war. Und so kam es, daß er mich erst, als wir schon vier Jahre verheiratet waren, eines Nachmittags anschaute, als wir auf der Veranda unseres Hauses in Marks saßen und Bohnen schälten, und zu mir sagte: ›Fidelia, hast du irgendwas im Auge?‹ Ich sagte: ›Nein, Mark.‹ Ich hatte nicht mehr solche Angst, wie Sie sich vorstellen können. Und er sagte: ›Ich glaube doch.‹ Und da habe ich ihm dann die Geschichte mit dem Besen erzählt.«
»Was hat er gesagt?«
»Er sagte … mal sehen, ob ich’s noch zusammenkriege. Er sagte: ›Nun, ein Auge weniger, um auf mich aufzupassen.‹ Er hielt sich damals für einen großen Herzensbrecher, aber ich fand immer, daß er dafür zu klein war.«
»Das hat er vielleicht durch Begeisterung wettgemacht«, sagte er.
»Das nehme ich beinahe an«, sagte sie und strich sich über ihre Augenbrauen.
Draußen lagen die letzten Strahlen des Tageslichts wie ein Schmutzfilm auf den Bäumen. Landrieu kam herein, räumte den Tisch ab und ging wieder in die Küche und begann, Wasser aus einem Blecheimer in eine Abwaschschüssel zu schütten.
»Im ersten Frühling, den wir hier hatten«,
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