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Ein Stueck meines Herzens

Ein Stueck meines Herzens

Titel: Ein Stueck meines Herzens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Ford
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angefangen zu knirschen und kleine stechende Schmerzen begannen um sein Ohr herum aufzutreten und sich in seinen Kopf zu bohren. Alles, was so schön aussortiert worden war, verwirrte sich nun wieder in Obsessionen darüber, daß man die Zukunft nur mit einer geordneten Vergangenheit beginnen konnte.
    Zu Weihnachten besaß er schon ein ganzes Inventar von Gebrechen und verschwendete eine Menge Zeit damit, sich ihretwegen Sorgen zu machen, und vergaß seinen Aufsatz für den  Review , der längst fällig war. Er rief den Herausgeber einige Male an, um ihn zu beschwichtigen, und der warf ihm vor, daß er bloß in der Lounge rumsitze und Kaffee trinke und Prestige absahne, während die Redakteure in der Bibliothek herumstöberten und Fallnotizen durchgingen und hofften, daß ihnen das einen Job als Assistent bei irgendeinem Gericht einbringen würde. Schließlich entwickelte er einen Widerwillen gegen den Herausgeber, einen Juden aus Ohio namens Ira Lubitsch, und machte laute zornige Bemerkungen am Telefon und erklärte sich einverstanden, den Artikel im Mai abzugeben. Im Februar verteilten sich seine Gebrechen und wurden bösartig. Er entdeckte eine gelbliche Verfärbung in den Sklera seiner Augen, obwohl es keine dazu passenden Symptome gab. Seine Bänder waren straff. Im März hörte er auf, zur Universität zu gehen, und verbrachte jeden Tag damit, grimmig aus dem Fenster auf die Negerinnen, die Kinder im Park ausführten, und auf die Säufer, die in die Büsche pißten, zu starren. Am Ende des Monats hatte er eine Auseinandersetzung mit Mrs. Antonopoulos, die ihn am Treppenaufgang anpöbelte, während zwei ihrer Neffen um den Pfosten herumlungerten wie zwei Ladendiebe. Sie sagte, daß sie die Miete für Februar noch nicht bekommen hätte und daß er, wenn er nichts überweisen würde, die Folgen selbst zu tragen hätte. Sie warf ihren Neffen einen langen und dunkel prophetischen Blick zu. Am nächsten Tag fand er eine Leinentasche mit Zimmererwerkzeug in der Diele und Löcher in der Tür und kleine Häufchen von Sägemehl auf dem Teppich. Die Zimmerer waren ins Café hinuntergegangen, wo er sie sehen konnte, wie sie Milch tranken und Käseblintzes aßen. Er ging ins Zimmer, verschloß die Tür, und als die Tischler wiederkamen, riß er sie auf und drohte, die Polizei zu rufen und sie verhaften zu lassen. Die Zimmerleute waren verwirrt, packten ihre Bohrer zusammen und verschwanden. Er hatte dann die Tür geschlossen und war einen Monat lang nicht mehr hinausgegangen, erneut gequält von den kleinen stechenden Schmerzen hinter dem Ohr, einer Versteifung in seinen Knien und einem Unvermögen, richtig zu gähnen, als ob ein Regler in seinen Gähnmechanismus eingebaut worden wäre, was ihn immer unruhiger machte, als wenn er niesen wollte, aber nicht die Kraft hatte, um den Nieser loszuwerden.
    Der mittlere Pfad bog zur Linken steil ab, und eine neue Hundefährte führte geradewegs in wucherndes Unkraut, hinter dem sich eine Schneise mit Gestrüpp befand, die die Spur vollkommen zu verschlucken schien. Hinter sich, in Richtung des Hauses, hörte er die Grillen und in entgegengesetzter Richtung ein Geräusch wie ein leises, dumpf dröhnendes Zischen, das mehr wie das Rauschen der Stille als ein Laut wirkte, als ob das Zischen bloß eine Reaktion in seinem Kopf auf die Stille wäre. Es war wie das Geräusch des Windes, aber es war nicht der Wind, sondern das Geräusch, das eine große leere Fläche in der Entfernung macht. Er schloß daraus, daß es der Fluß war, hinter der nächsten Baumreihe und über den Hügel, wo der Sand in einen lehmigen Uferstreifen übergehen würde, der direkt zum Wasser abfiel. Und dann wäre er da.
    Er trat auf den Pfad hinaus und ging auf das Zischen zu, und der Boden vibrierte, als hätte man ihn über Gelee gespannt. Seine Schritte erzeugten ein saugendes Geräusch, das als leichte Erschütterung bis in den Sumpf zurückbebte. Während er mit einer Hand die Augen schützte, stieß er mit der anderen ins Gehölz vor, das aus jungen Buchen und Pflaumenbüschen zu bestehen schien, bis er nicht mehr erkennen konnte, wie die Fährte vor ihm das Dickicht zerteilte, und er konnte die süßen Pflaumen riechen, und mit dem nächsten Schritt sank er tief ins Wasser hinein.
    Sein Atem blieb ihm im Halse stecken, und aus seiner Kehle kam kein Laut. Er begriff, daß er versank, und er warf sich, seiner Fallrichtung folgend, nach vorn auf den nächsten Baumstamm zu, so daß er weiter in das Wasser

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