Ein Stueck meines Herzens
allem wegzudenken.
»Was soll das heißen, ›nehm ich doch an‹?«
»Ich meine, ich nehme an, daß wir fahren«, sagte er.
»Du hast doch keine Hure dabei, oder?«
»Nein«, sagte er und wünschte, er hätte es hinter sich.
»Was ist dann los mit dir?«
»Nichts ist los mit mir, dem nicht dadurch abzuhelfen wäre, daß er deinen Arsch nicht zu sehen kriegt.«
»Ach, Scheiße!«
»Ich meine es ernst.«
»Ich hab auch noch die ganzen blauen Flecken als Beweis.«
Sie ließ den Hörer fallen, und er hörte ein schwaches Klingeln. »Schau mal«, begann sie weit entfernt, und im nächsten Augenblick schon schrie sie ihn beinahe an. »Der wird absolut nichts merken, außer wenn ich ihm was sage, und ich werd ihm nichts sagen, weil ich solange, wie ich nur denken kann, auf das hier gewartet hab.«
»Ich will, daß es keinen Ärger gibt«, sagte er, »und daß niemand in die Scheiße gerät.«
»Wer denn zum Beispiel?«
»Ich zum Beispiel«, sagte er.
Dann herrschte Schweigen, und er konnte hören, wie ihre Finger auf der Sprechmuschel trommelten. »Irgend etwas stimmt hier nicht«, sagte sie.
»Es ist doch gar nichts los«, sagte er.
»Irgendwas kommt dir wohl komisch vor, oder?« Er konnte den Hohn in ihrer Stimme hören. Irgendwie gelang es ihr, gleichzeitig auf die Muschel zu trommeln und weiterzusprechen.
»Schau mal«, sagte er. »Das einzige, das ich nicht komisch find, wär, wenn er’s rauskriegt. Ich will nicht, daß er irgendwie dazwischenfunkt und die Sache versaut. Wenn er nichts merkt, bin ich wunschlos glücklich.«
Wieder herrschte Schweigen. Allmählich begann sein Ohr zu schmerzen.
»Du schämst dich doch wohl nicht etwa für mich, oder? – Weil du ’n schlechtes Gewissen hast, weil du W. lächerlich machst?«
»Ich mache W. nicht lächerlich«, sagte er. »Ein Mann macht sich höchstens selber lächerlich. Dazu braucht er keinen anderen.« Er hielt das Telefon an sein anderes Ohr, bis irgend etwas darin klickte und sein Ohr sich anfühlte, als wäre es aus Metall.
»Robard?«
»Was?«
»Wann kann ich dich sehen?« Ihre Stimme war kindisch.
»Morgen abend?«
Mrs. Goodenough kam mit dem Besen herein und warf einen erschreckten Blick in die Ecke, wo er sich mit dem eingeklemmten Hörer hingekauert hatte. Sie bedeckte ihr rechtes Ohr mit einer Hand und verschwand wieder in den hinteren Teil des Hauses.
»Morgen geht nicht«, sagte sie. »Einmal im Monat essen wir bei seinem Daddy, und Donnerstag isses wieder soweit. Sein Daddy würde mich nicht mal angucken, wenn ich’n Handspiegel wär.«
»Warum?« fragte er und dachte, daß er sich schon denken könnte, warum.
»Er glaubt, daß ich W.s Baseball-Karriere ruiniert habe, aber W. macht’s mehr Spaß, in Forrest City zu spielen, als es ihm in Tacoma, Washington, gemacht hat. Das habe ich ihm auch erzählt, und er hat bloß W. angeguckt, ist aufgestanden und weggegangen. W. zwingt mich, immer wieder mit hinzukommen, aber keiner von denen kriegt irgendwas runter oder guckt mich an.«
»Also Freitag dann«, sagte er.
»Da ist er in Jonesboro, und Samstag auch. Wir können die ganze Nacht wegbleiben und den halben nächsten Tag und es die ganze Zeit treiben. Ist das nicht toll?«
»Um wieviel Uhr?« fragte er kühl.
»Er fährt um neun weg. Komm und hol mich ’ne Minute später ab.«
»Wir müssen uns ’ne neue Stelle suchen«, sagte er und dachte, daß alle, die Beuna sähen, wie sie sich hinten an der Post mit ihm davonmachte, schon an der Strippe wären, bevor sie überhaupt ihre Briefe bekämen.
»Ich sag’s dir«, flüsterte sie. »Fahr um zehn die Main Street hoch und guck immer nach rechts. Du siehst mich dann schon.«
»Da kann ich dich auch gleich am First Base in Jonesboro abholen«, sagte er.
»Nein!« sagte sie. »Hol mich ab. So finde ich’s gut. Du wirst sowieso nie ’nen gewöhnlicheren Menschen treffen als mich. Du kannst doch einfach so tun, als hättest du mich noch nie gesehen und mich da an der Straße entdeckt und beschlossen, mit mir mal ’ne Nummer zu schieben.«
Auch nachdem sie es ihm erklärt hatte, hörte es sich kein bißchen schlauer an, aber er hatte das Gefühl, daß er es jetzt nicht mit ihr verderben sollte, weil er sie ja erst in zwei Tagen holen sollte, und es jetzt wohl klüger wäre, ihr keinen Anlaß zu geben, die Geduld zu verlieren, und sie sollte ruhig weiter an dem festhalten, was immer sie sich ausgedacht hatte, wie sie abgeholt werden wollte, als wäre sie irgendeine
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