Ein Stueck vom Himmel
ersten Mal das Land südlich vom Brenner und fand dort ein bisher in der Gelehrtenwelt unbekanntes Gestein, das später nach ihm »Dolomit« benannt wurde. Als er im Jahre 1801 starb, wusste er noch nicht, dass er durch seine Entdeckung den Dolomiten den Namen gegeben hatte. Schön, dass der Entdecker so einen wohlklingenden Namen hatte und nicht Schulze oder Hrdlicka hieß! Schulziten oder Hrdlickaiten?
Wir wissen bis heute nicht, warum und wieso es eigentlich so war, dass wir nach zwei oder drei Bergurlauben in anderen Gebirgen dann immer wieder in die Dolomiten fuhren. Weil es dort so besonders schöne Wände und Felstürme gibt?
Es muss da auch noch etwas anderes sein. Und vielleicht war es der englische Dichter D. H. Lawrence, der eine Antwort auf eine solche Frage gefunden hatte. Er war einmal im Land der Etrusker, hatte die Totenstadt von Cerveteri besucht. Es war April, die Luft war warm und weich und aus den zarten Gräsern über den Grabhügeln stiegen Lerchen auf. In seinem Buch »Etruscan Places« schrieb er dann: »... und man hatte das Gefühl, dass es der Seele guttat, hier zu sein«. Es tat unserer Seele immer gut, in den Dolomiten zu sein!
Kaspareks Wunder-Kletterpatschen
»Burschen! Mit diesen Kletterpatschen müsst ihr euch beim Klettern überhaupt nimmer anhalten!«, sagte Fritz Kasparek, als er in unserer Bergsteigergruppe die von ihm erfundenen Kletterschuhe mit Gummisohle vorstellte. Und als er erfuhr, dass der Hansl Hausner und ich die Nordwand der Großen Zinne machen wollten, schenkte er spontan jedem von uns ein Paar dieser Wunder-Kletterpatschen. Das war 1948. In diesem Jahr waren nach dem langen Krieg die Grenzen nach Italien wieder offen. Devisen (Lire) gab es keine.
Wir hatten für drei Wochen Proviant mitgenommen (Haferflocken, Nudeln, Erbsen und außerdem viele Benzinfeuerzeuge, für die – wie uns gesagt wurde – in Italien Liebhaberpreise gezahlt werden sollten). An Rasttagen stiegen wir dann immer ins Tal ab, um Feuerzeuge zu verscherbeln und mit dem Erlös unseren Proviant zu ergänzen.
Gehaust haben wir in einem Kuhstall unterhalb der Drei-Zinnen-Hütte (2438 m). Unten waren die Kühe, oberhalb im Heu schliefen wir. Wenn sich die Viecher bewegten, läuteten ihre großen Glocken. Und mit einem lauten Platscher fielen ständig ihre mächtigen Kuhdreck-Fladen zu Boden. Keine stille Bergesruh! »Bua, du stinkst, wie wenn du in einem Kuhstall geschlafen hättest!«, sagte meine Mutter, als ich heimkam.
Alles stank nach Kuhstall ... Hemden und Hosen, Anorak und Rucksack. Auch nach dreimaligem gründlichem Waschen war aus meinen Hemden ein dezenter Kuhdreckduft nicht wegzubringen. Kasparek hatte uns mit seinen Wunder-Kletterpatschen auch noch einen guten Rat mitgegeben. Wir sollten nicht gleich in die Zinne-Nordwand einsteigen, sollten vorher noch etwas Leichteres machen, um uns im Dolomitenfels einzugehen. Ein Sechser (damals das Schwerste in der alpinen Schwierigkeitsbewertung) in den Dolomiten ist zwar nicht schwerer als ein Sechser im Gesäuse, Karwendel- oder Wettersteingebirge – er ist nur ein bisserl anders ...
Dass der Dolomitenfels sehr steil sein kann, hatten wir schon auf vielen Fotos gesehen. Doch als wir dann unter den Nordwänden der Drei Zinnen standen, sahen wir, wie erschreckend steil sie in Wirklichkeit sind.
Der Preußriss an der Kleinsten Zinne (V. Grad) sollte unsere erste Dolomitenkletterei werden. Doch bevor wir richtig Hand an den Fels legen konnten, rutschten uns auch schon die Füße von dem noch morgentaufeuchten Fels weg, wie wenn wir auf nasse Seife gestiegen wären.
Unsere Wunder-Kletterpatschen (aus Gummi, ohne Profil) übertrafen an Rutschfreudigkeit alle Kletterschuhe, mit denen wir bisher unterwegs gewesen waren. Ich war unglücklich. Kletterpatschen waren damals ein Göttergeschenk und Fritz Kasparek war unser Klettergott. Er würde uns fragen, ob wir mit seinen Patschen zufrieden waren – und wie sagt man einem Klettergott, dass sein Göttergeschenk ein lausiges Glumpert ist? Den Preußriss sind wir barfuß geklettert. Zum Glück hatten wir auch noch unsere alten Kletterpatschen (mit einer etwas weniger rutschfreudigen Filzsohle) in die Dolomiten mitgenommen.
Drei Tage später stiegen wir in die Nordwand der Großen Zinne ein.
»Die Wand schaut nur von unten wie eine glatte Hausmauer aus. Wenn ihr einmal drin seid, dann seht ihr auch, dass es massenhaft Tritte und Griffe in ihr gibt!«, hatte uns Kasparek froh lächelnd gesagt. Er
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