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Ein Stueck vom Himmel

Ein Stueck vom Himmel

Titel: Ein Stueck vom Himmel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl Lukan
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wie Hausherren an dem vom Seilersten gespannten Quergangsseil dahinrutschen. Das Problem der Nürnberger war, dass jeder der sechs vorausklettern wollte, um das Kletterabenteuer Seilquergang voll und ganz zu erleben.
    Und so lösten sie das Problem: Jeder der drei Zweierseilschaften zog das Quergangsseil hinter sich wieder ab. Dadurch kamen wenigstens drei Seilerste – die vorher ausgelost wurden – in den Seilquergangsgenuss.
    Eine Verlosung inmitten einer Felswand ... klingt verrückt! Aber das waren wir damals, wenn’s um Seilquergänge ging. Wir Wiener (als Neutrale) nahmen die Verlosung vor. Dabei habe ich gemogelt. Einer der Nürnberger war so langsam, dass man ihm während des Kletterns die Hose hätte flicken können. Wäre er glücklicher Gewinner geworden, dann hätte er wahrscheinlich erst nach einer halben Ewigkeit den Quergang derpackt. Ich habe ihm einen kürzeren Papierstreifen untergejubelt.
    Vier Seilschaften in der Leuchsturm-Südwand – natürlich wurden wir in der Wand genau beobachtet. Und in der Gaudeamushütte wurden wir dann von den zünftigen alten Hasen mit langen Ohren ein »alpiner Kindergarten« genannt, der keine Ahnung von einem Seilquergang hat. »Warum hat jede Seilschaft das Quergangsseil hinter sich wieder abgezogen, warum?«
    Wir erklärten es, warum wir es wieder abgezogen haben.
    »Das sind doch Kindereien!«, wurde uns gesagt. »So werdet’s nie gute Kletterzeiten erreichen!«
    War es wirklich nur eine Kinderei, dass wir viel lieber das Abenteuer Seilquergang voll und ganz erleben wollten als nur ein Huschhusch-Klettern um eine gute Zeit?
    Die schönste Geschichte vom Totenkirchl
    Das Totenkirchl (2193 m) im Wilden Kaiser ist ein Kletterberg. Wer auf dem Gipfel stehen will, muss klettern. Einst sollen sich nach Mitternacht auf dem Gipfel die Seelen der am vergangenen Tag Verstorbenen versammelt haben. Das gab dem Berg den Namen. Im Jahre 1881 wurde das Totenkirchl von Gottfried Merzbacher mit dem Führer Michl Soyer erstmals erstiegen. Und das »auf dem wohl einzig möglichen Weg« und »nach einer der schwierigsten, anstrengendsten und gefährlichsten Klettereien, die bis zur äußersten Grenze der Möglichkeit gingen«.
    Merzbacher, der das in seinem Ersteigungsbericht geschrieben hatte, war einer der aktivsten Bergsteiger seiner Zeit, hatte Gipfelerstersteigungen im Kaukasus gemacht und abenteuerliche Forschungsreisen im Pamir und Tian Shan unternommen. Aber wirklich berühmt wurde er durch seinen Irrtum zu glauben, den »wohl einzig möglichen Weg« auf das Totenkirchl gefunden zu haben.
    Am 16. Juni hatte Merzbacher diesen Weg erstbegangen, aber schon am 13. Juli dieses Jahres wurde der Zottkamin aufs Totenkirchl erklettert und am 17. August der Führerweg.
    Heute soll es schon mehr als sechzig Anstiege aufs Totenkirchl geben. Aber die Geschichte von dem Mann, der geglaubt hatte, den »wohl einzig möglichen Weg« auf diesen Berg gefunden zu haben, wird in der Alpinliteratur auch heute noch so oft aufs Neue erzählt, dass man meinen könnte, sie habe sich erst gestern zugetragen.
    Viele Geschichten gibt es ums Totenkirchl. Eine hatte 1974 Peter Aschenbrenner erzählt bei einer Zusammenkunft der damals noch lebenden Bergsteiger aus der sogenannten »heroischen Zeit des Alpinismus«. Organisiert hatten diese Zusammenkunft Anderl Heckmair und Hans Schwanda, im Aschenbrennerhaus bei der Bergstation des Kaiserliftes fand sie statt. (Weil Schwanda und ich »zusammengehörten«, konnten Fritzerl und ich ebenfalls bei dem Treffen dabei sein.)
    Unvergesslich war Heckmairs Begrüßungsansprache. Sie bestand aus sechs Worten: »Alsdann, Freunde, setzen wir uns z’samm!« – Wir saßen dann bis zwei Uhr nachts beisammen.
    Thema Numero eins war natürlich das Klettern. Jeder dieser alten Kämpen war einmal ein Meister des Freikletterns ... Hans Lucke: »Am Rossiüberhang in der Fleischbank-Südost sind halt drei Hakln gsteckt. Wenn ein viertes Hakl drin gsteckt is, hat man gesagt, die ganze Tour ist vernagelt!«
    Peter Aschenbrenner: »I glaub, dass bald wieder nur ein paar Hakerl am Rossiüberhang stecken werden! Die heutigen Jungen haben nämlich neu entdeckt, dass Freiklettern das große Abenteuer ist!«
    Thema Numero zwei war der Nanga Parbat, der Berg aller Berge für diese Bergsteigergeneration. Aschenbrenner nannte ihn nur den »Nanga« – und so wie er das Wort aussprach, klang es fast so wie »Gott«. 1934 stand er mit Erwin Schneider schon auf 7700 Meter Höhe –

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