Ein Stueck vom Himmel
gerümpft« (wie kritisch vermerkt wurde).
Naserümpfen gab es auch, als 1882 die erste Frau auf die Kleine Zinne geklettert ist. Es war die Herzogin Ada von Sermoneta, und für sie gab es nur die Entschuldigung, dass der Adel schon seit je dem Extravaganten verfallen ist. Als extravagant erschienen auch die Winterersteigungen der Großen und Kleinen Zinne am 28. und 29. Dezember 1892 durch Theodor Wundt mit den Führern Bettega und Watschinger. Klettern im winterlichen Steilfels erschien zu dieser Zeit fast noch so unmöglich wie eine Reise zum Mond. Doch der Steilfels war gar nicht so schwierig zu überwinden, das Schlimmste war die Einstiegsschlucht an der Großen Zinne gewesen, in der die Winterbergsteiger bis über die Hüfte in den Schneemassen eingesunken waren. Eine neue Erfahrung.
Theodor Wundt (später wurde er sogar ein General) hat an den Drei Zinnen außerdem noch bewiesen, dass man im Steilfels auch fotografieren kann. Auch das erschien damals – als die Kameras samt Stativ noch die Größe kleiner Geschütze hatten – als unmöglich. »Wanderungen in den Ampezzaner Dolomiten« hieß das Buch, in dem Wundt dann seine Fotos veröffentlichte. Das war einer der ersten Fotobildbände über ein alpines Thema, und Wundt hatte ihn »König Wilhelm II. von Württemberg, dem erhabenen Beschützer männlichen Sports« gewidmet. Männlich hin oder her – der Fotograf Wundt wusste auch schon, dass eine Frau ein Foto viel interessanter macht als der verwegenste bärtige Bergführer und lud die bildhübsche Holländerin Jeanne Immink zu einer »Fotoexpedition« auf die Kleine Zinne ein. »Bitte, sehen Sie recht freundlich in den Abgrund!«, rief er ihr dann zu.
Schauplatz von alpinen Großtaten wurden die Drei Zinnen zwischen den beiden Weltkriegen, als die Nordwände von Großer und Westlicher Zinne (1933 und 1935) durchstiegen worden sind. Damals glaubten selbst die Extremsten aller Extrembergsteiger, dass diese Leistungen der Schlusspunkt einer Entwicklung seien. Das waren sie aber nicht. Nach dem Zweiten Weltkrieg begann der Kampf um die Direktrouten durch die Nordwände.
Das spektakulärste aller dieser Unternehmen war die Erstbegehung der Superdirettissima durch die Nordwand der Großen Zinne im Winter (10.–26. Jänner 1963) durch die Seilschaft Rainer Kauschke, Peter Siegert und Gert Uhner. Da war auch die Presse anwesend, und in allen europäischen Zeitungen wurden tagtäglich Lageberichte veröffentlicht.
So kamen auch die Sportreporter (die ja selber zumeist höchst unsportliche Leute sind) nicht darum herum, unter den Drei Zinnen im Schnee und in der Kälte herumzustapfen. Was sie dann zu berichten hatten, war jedoch nicht sehr aufregend: Am 16. Jänner hatte die Seilschaft nur 25 Meter Wandhöhe bezwungen ...
Und da gab es auch noch einen alten Journalisten einer großen italienischen Zeitung, dessen Reportagen alle anderen übertrafen. Man hatte bei deren Lektüre stets das Gefühl, ihr Verfasser sei hautnah am Geschehen. Aber das war er nicht. Der Kerl soff bis nach Mitternacht, schlief dann bis in den späten Vormittag hinein und kannte die Drei Zinnen nur von Ansichtskarten. Aber so um die Mittagszeit plauderte er in den Bars von Cortina d’Ampezzo mit allen möglichen Leuten. Er hatte nach der alten Reporterweisheit gearbeitet: »Wer genau über einen Brand berichten will, muss möglichst weit außerhalb des Feuers stehen!«
Als die schönste aller Klettereien an den Drei Zinnen gilt die Gelbe Kante an der Kleinen Zinne (erstbegangen 1933 von Emilio Comici, Renato Zanutti und Mary Varale, Schwierigkeit einst VI, jetzt V+) ... und viele, die den Fehrmann-Kamin (ebenfalls an der Kleinen Zinne) durchstiegen hatten, sagten nachher, dass dieser die grauslichste Kletterei an den Drei Zinnen sei.
Es war ein wunderschöner Morgen, als wir zu dritt (mein Bergspezl Leo Kozel war mit uns) zum Einstieg der Gelben Kante aufstiegen. So schön war der Morgen, dass dort schon sieben Seilschaften aufs Einsteigen warteten und drei bereits in den Felsen unterwegs waren.
Wer an einem saukalten Wintertag auf die Straßenbahn wartet, dem werden Minuten zu Stunden. Wir, die am Fuß der Kante anderen hoch über uns nur beim Klettern zuschauen konnten, empfanden die Wartezeit als Ewigkeit.
Endlich, endlich konnte die Seilschaft vor uns einsteigen. Es waren zwei junge Schweizer. Sie hatten in ihren Bergen schon etliche schwere Felswände durchstiegen, jetzt wollten sie auch einmal im berühmten Dolomitenfels
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