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Ein Stueck vom Himmel

Ein Stueck vom Himmel

Titel: Ein Stueck vom Himmel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl Lukan
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musste es wissen: 1934 hatte er die zwölfte Begehung der Wand gemacht, 1938 die erste Winterbegehung.
    Die Erstdurchsteigung der Nordwand der Großen Zinne im Jahre 1933 durch Emilio Comici und die Brüder Angelo und Giuseppe Dimai gab dem Extremklettern dieser Zeit neue Impulse. Wenn sogar diese Hausmauer zu derpacken ist, was geht dann nicht? »Schwerer als die Zinne-Nordwand« oder »etwas leichter als die Zinne-Nordwand« wurden neue Schwierigkeitsbegriffe.
    Die Steilheit dieser Wand in ihrer ganzen Höhe und Breite ist das ganz besondere Erlebnis für den Kletterer. Doch »massenhaft Tritte und Griffe«, wie die Frohnatur Kasparek gesagt hatte, gibt es nicht in ihr. Recht oft muss man sie auch suchen.
    Wir fanden auch nur wenige Mauerhaken in der Wand. Im vergangenen Krieg wurde Eisen für Kanonen und Granaten gebraucht und nicht fürs Schmieden von Mauerhaken. Das Herausklopfen von in alten Routen steckenden Mauerhaken wurde diskret Mauerhakenbeschaffung genannt. Etwa 90 Mauerhaken wurden bei der Erstbegehung der Nordwand geschlagen, Später, so wurde erzählt, sollen oft mehr als 300 darin gesteckt sein.
    In Halleluja-Stimmung erreichten wir den Gipfel. Diese schwand aber bald wie Wasser im Wüstensand bei dem Gedanken: Wie sagen wir es Fritzl, dass wir die Nordwand nicht mit seinen Wunderpatschen durchstiegen haben? Nix mussten wir sagen!
    »Ihr lebt noch?«, sagte Fritz Kasparek beim Wiedersehen. »Eigentlich hättet ihr mit diesen Dreckspatschen runterfliegen müssen. Aber jetzt habe ich Patscherl entworfen, mit denen euch ein Sechser wie ein harmloser Kuhweg vorkommen wird!«
    Fritz Kasparek – der Frohmensch, dem niemand bös sein konnte. Nicht einmal die Nazis ...
    Nach der Erstdurchsteigung der Eiger-Nordwand im Jahre 1938 wurde Kasparek in Wien begeistert gefeiert und bei seinem Vortrag waren auch, wie es damals hieß, die »Spitzen von Partei, Staat und Wehrmacht« anwesend. Und am Ende seines Vortrages erzählte er ganz unbekümmert: »Vom Bürgermeister der Stadt Wien bekam ich das hochherzige Angebot, mir eine komplette Bergsteigerausrüstung anzuschaffen. Da hab ich mir gedacht, wenn schon eine Wurzn da ist, dann ist sie da – und hab mir alles drei- und vierfach angeschafft!«
    Eine »Wurzn« ist auf Wienerisch ein harmloser Mensch, der leicht ausgenützt, ausgenommen werden kann. Und diese Wurzn – Wiens Bürgermeister – saß bei Kaspareks Vortrag in der ersten Reihe ...
    Die Drei Zinnen gibt’s nur einmal
    Schöne Berge gibt’s viele auf der Welt. Die Drei Zinnen gibt’s nur einmal ...
    Nachdem der Wiener Bergsteiger Paul Grohmann mit den Führern Peter Salcher und Franz Innerkofler im Jahre 1869 die Große Zinne erstmals erstiegen hatte, waren für ihn die Drei Zinnen uninteressant geworden. Westliche und Kleine Zinne, Kleinste Zinne und Punta di Frida (eigentlich sind es fünf und nicht drei Zinnen) existierten für ihn nicht. Er hatte die höchste der Zinnen erstiegen und hatte eine barometrische Höhenmessung vorgenommen: 3015 Meter. Neuere Höhenmessungen haben dann nur 2999 Meter ergeben.
    Grohmann war einer der letzten Bergsteiger klassischer Zeit, die für ihre Gipfelersteigungen als Rechtfertigung noch wissenschaftliche Beweggründe anführten und ihre wahren Empfindungen so verschwiegen wie das Rumpelstilzchen aus dem Märchen seinen Namen.
    Erst 1879 wurde auch die Westliche Zinne erstiegen. Doch schon ein Jahr vorher gab es einen Versuch, die Kleine Zinne zu erklettern – obwohl sie nur als ein untergeordneter Seitengipfel galt. »Schiacher als die Kleine Zinn kann ein Berg nimmer sein!«, hatte der Bergführer Michl Innerkofler gesagt. Ob sie ersteigbar wäre? »Ja, wenn du Flügel hättest!«, war seine Antwort. Flügel sind ihm keine gewachsen, doch im Jahre 1881 stand er mit seinem Bruder Hans auf dem Gipfel der Schiachen Zinne.
    In der Alpingeschichte gilt diese Erstbesteigung als ein Wendepunkt. Nach dem Ersteigen aller Hochgipfel hatten die Alpinisten eine neue Spielart des Bergsteigens entdeckt: das Erklettern von Steilwänden an Felsgipfeln. Und die Drei Zinnen wurden zur alpinen Arena ...
    Kaum war die Kleine Zinne im Juli 1881 erstmals erstiegen worden, stellte schon im August dieses Jahres der Zweitersteiger gleichzeitig auch einen Rekord auf: Er erkletterte (mit dem Führer Michl Innerkofler) alle Drei Zinnen an einem Tag. Über diesen »Dauerlauf des Wiener Sportsmannes Demeter Diamantidi« hatten natürlich alle »wahren Bergsteiger« ablehnend die Nase

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