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Ein stuermischer Retter

Ein stuermischer Retter

Titel: Ein stuermischer Retter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anna Gracie
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die Fäuste vor ihren Mund und verfolgte die Szene mit gequältem Blick.
    Die Alte nahm Nicks Kopf vorsichtig zwischen ihre gichtigen Hände, die langen Finger wölbten sich um seinen Hinterkopf, während sie die Daumen hinter seine Ohren presste.
    Sie schloss die Augen und bewegte sich eine geraume Zeit gar nicht, doch schließlich begann sie, seinen Kopf abzutasten, als suchte sie nach irgendetwas. Das dauerte so lange, dass Faith sich schon fragte, ob das alles nur ein eigentümliches Spiel war. Plötzlich jedoch bog sich der zierliche Körper der Alten nach hinten und begann zu zucken, als hätte ihn ein unsichtbarer Blitzschlag getroffen.
    Immer wieder krümmte sie sich, offenbar unter großen Schmerzen. Plötzlich fing auch Nick zu zucken an, als gingen die Schmerzen der Alten in ihn über. Er hob die Hände und versuchte, ihre Finger von seinem Kopf zu lösen, aber ihm schien die Kraft zu fehlen.
    Faith machte einen Schritt nach vorn, fest davon überzeugt, dass das nicht richtig sein konnte, doch Mac hielt sie zurück. „Wenn es einmal angefangen hat, darf man nicht mehr eingreifen, sonst sterben beide." Ängstlich wimmernd barg sie das Gesicht an seinem Ärmel, doch als Nicholas aufstöhnte, wich sie wieder zurück. Es war unerträglich, dieses Vorgehen zu beobachten, aber noch unerträglicher war es,
    wegzuschauen.
    Im nächsten Moment begann die alte Frau vollkommen unkontrolliert zu zittern, zu zucken und sich aufzubäumen, genau wie Nick auch. Schließlich bäumte er sich ein letztes Mal auf - und kollabierte vor den Füßen der alten Frau; er war offenbar bewusstlos.
    Oder tot.
    Durch seinen Zusammenbruch wurde die Alte von ihrem Stuhl gerissen, aber sie ließ Nicholas nicht einen Augenblick los. Die beiden lagen in gekrümmter Haltung auf dem Boden, Nicholas reglos, die alte Frau heftig bebend. Ihre Finger um seinen Kopf wirkten wie Klauen, und auf einmal sah Faith ...
    „Blut!"
    Sie wollte zu ihm eilen, ihn aus diesen Klauen befreien, aber wieder hielt Mac sie zurück. „Es ist zu spät für Zweifel. Jetzt müssen Sie bis zum Ende ausharren, Mädchen, ganz gleich, wie es ausgeht."
    Irgendwann ließ die alte Frau Nicholas mit einem unheimlichen, äußerst schrillen Schrei los. Ihre Hände sanken herab. Faith starrte auf die blutigen Finger, und ihr wurde übel bei dem Gedanken, zu was sie Nicholas überredet hatte. Ein Blutrinnsal lief ihm seitlich über das Gesicht.
    Mac ließ sie nun los, und Faith stürzte zu ihrem Mann. Er bewegte sich immer noch nicht, er schien nicht einmal zu atmen. Seine Hände waren blutverschmiert.
    Mac beugte sich über ihn. „Verdammt, alte Frau, ich glaube, Sie haben ihn umgebracht!" Die Alte rührte sich nicht. Ihre Hände und ihre Brust waren rot und klebrig vor Blut.

Stevens legte seinen Kopf auf Nicholas' Brust. „Nein, er lebt! Er atmet noch! Mac, hilf mir, ihn auf das Bett zu heben."
    Ganz behutsam betteten sie ihn auf die Schlafstätte.
    „Die Alte auch", verlangte Estrellita, und so hievte Mac auch den winzigen, eingesunkenen Körper hoch und legte ihn neben Nick.
    Mit grenzenloser Erleichterung stelle Faith fest, dass Nick tatsächlich noch atmete, wenn auch sehr flach. Er blutete jetzt stark am Kopf.
    „Kopfwunden bluten immer heftig", erklärte Mac so sachlich, dass Faith am liebsten geschrien hätte. Wie konnten die Finger einer alten Frau Nick überhaupt so eine Wunde zufügen?
    Stevens nahm ein Tuch, tränkte es mit Brandy und presste das Leinen auf die Wunde. „Auf dem Schlachtfeld habe ich Schlimmeres gesehen, Miss", sagte er, um sie zu beruhigen. „Tatsächlich hat Capt'n Nick schon furchtbarere Kopfverletzungen als diese überlebt."
    Faith drückte die Faust gegen ihre Zähne. Diese ruhige Sachlichkeit machte sie beinahe hysterisch. Ihr Mann kam nicht aus einer Schlacht, eine alte Hexe hatte ihn verwundet! Und sie - Faith - hatte ihn dazu überredet, und es gab nichts, gar nichts, was sie für ihn hätte tun können.
    „Sie hat ihn fast umgebracht", rief Faith aus.
    „Nein. Sie hat sich für ihn umgebracht." Estrellita beugte sich über ihre Urgroßmutter und säuberte liebevoll das alte runzlige Gesicht und die Hände. „Seht nur", entfuhr es ihr.
    Sie bog die Finger der alten Frau auseinander, und auf deren Handfläche lag etwas Blutverschmiertes. Etwas Spitzes, Scharfkantiges aus Metall.
    Mac nahm es und wischte es sauber. „Mein Gott, das sieht aus wie ..."
    „Ein Stück von einer Schrapnellhülse", vollendete Stevens seinen Satz.

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