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Ein Sturer Hund

Titel: Ein Sturer Hund Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinrich Steinfest
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nicht unweit von Cravans Blume befand. Die Kirche zu St. Konrad, ein weißer Betonbau aus den Sechzigerjahren, dessen aus drei flachen Steilwänden kombinierter Kirchturm oberhalb einer Stufenanordnung namens Sünderstaffel aufragte.
    Cheng erklärte, ein wenig alleine sein zu wollen, weshalb er zur Konradskirche gehen werde. In einer guten Stunde würde er wieder zurück sein. Dann sagte er: »Warten Sie nicht mit dem Essen auf mich.«
    »Die Küche ist hervorragend«, versprach Dr. Thiel. »Herr Cravan versteht zu kochen.«
    »Herr Cravan?«
    »Jeder Wirt, der dieses Lokal führt, nennt sich so.«
    »Dadaistische Reinkarnation?«
    »Das wohl nicht«, antwortete Dr. Thiel, als hätte er Chengs Frage ernst genommen.
    »Mahlzeit«, sagte Cheng und verließ den Laden.
    Über jene bereits erwähnte Staffel stieg Cheng hinauf zur Kirche. Obwohl nicht eigentlich lang, war es ein mühsamer Aufstieg. Nicht allein der Steilheit wegen. Die Treppen schienen unter der frischen Schneedecke wie aufgelöst, und Cheng musste sich am Geländer hinaufarbeiten. Er begann unter dem schweren Mantel zu schwitzen. Gleichzeitig erinnerten ihn seine fünf nackten Finger an jene Stücke gefrorener Milch, die er als Kind im Gefrierfach produziert hatte. Fingereis.
    Das Ende der Staffel entließ ihn auf eine Straße, die ihn direkt vor den weißen Baukörper von St. Konrad führte. Wobei der Körper nicht ganz so weiß wirkte wie üblich. Löblicherweise waren die Stufen, die zum Eingang führten, vom Schnee befreit. Als würde wenigstens der katholische Gott diesem Überfall des Winters trotzen.
    Cheng kannte das Innere der Kirche von mehreren Besuchen. Doch nie zuvor hatte er den Raum mit einer solchen Konzentration, mit einer derartigen Hingabe an die Details wahrgenommen. Das ist keine Übertreibung. Seitdem Cheng diesen Auftrag erhalten hatte, betrachtete er die Dinge und Orte gerade so, als müsse er später einen Aufsatz darüber verfassen. Er lebte wie in einer Erzählung, die noch zu schreiben war, aber deren Sätze sich bereits jetzt konstituierten.
    Cheng war der einzige Besucher. Er nahm in einer der mittleren Reihen Platz, hob den Kopf an und betrachtete die konkav gewölbte, aus schmalen Holzlatten gezimmerte Decke, die einem das Gefühl gab, man befinde sich unterhalb eines breiten Schiffsbodens. Auf Höhe des Altars waren in diesen Schiffsboden vier Karos eingeschnitten, die zusammen ebenfalls ein Karo bildeten. Durch die vier Öffnungen drang das Außenlicht ein und tauchte den Altarbereich in eine beträchtliche Helligkeit, die in keiner Weise mit dem an sich dunklen Tag vereinbar war. – Netter Effekt. Wozu gehörte, daß zwischen diesen Lichtsäulen eine Christusfigur in der Art eines Strichmännchens von zwei Drahtseilen herabhing.
    In seiner schlichten, geraden Haltung erinnerte dieser Christus an einen Turner an den Ringen, einen Kreuzhang einnehmend, also mit waagrecht zur Seite gestreckten Armen und herabhängendem Rumpf. Ein Turner mit einem Kreuz am Rücken, ein Gymnastiker des Todes.
    Diese Assoziation empfand Cheng keineswegs als zynisch. Vielmehr erschien ihm die Vorstellung tröstlich, daß der Tod eine Turnübung darstellte, die man besser oder schlechter ausführen konnte. Daß eine Kreuzigung eine schreckliche Todesart darstellte, brauchte ihm niemand zu sagen. Gleichwohl verfügte diese Positur über einen hohen ästhetischen Grad. Und genau darum war das Kruzifix als Symbol und Feldzeichen in Frage gekommen und hatte bis zum heutigen Tag seinen Reiz, jawohl, seinen Reiz nicht verloren.
    Es war kalt und still. Kälte und Stille waren eins. Bei geringerer Stille wäre auch die Kälte nicht so arg gewesen. Was natürlich auch umgekehrt galt.
    Cheng erhob sich und schritt hinüber zu einem Vorsprung, der seitlich der Altarbühne gelegen war. Dort war der schmiedeeiserne Tisch aufgestellt, auf dem die Opferkerzen standen. Cheng war ein großer Freund der Opferkerzen. Kleiner Preis, große Wirkung. Für das bißchen Geld konnte man sich an mehr Leute erinnern, als sie es eigentlich verdienten. Es waren in erster Linie seine Eltern, die Cheng mit Opferkerzen bedachte. Sie hatten ihn aufwachsen lassen, ohne große Umstände zu machen. Mehr konnte man nicht verlangen.
    Cheng warf zwei Münzen ein. Wofür ihm nun vier Kerzen zur Verfügung standen, die er in einer Reihe aufstellte. Neben den beiden Flämmchen, die er seinen Eltern widmete, gedachte er zweier ehemaliger Auftraggeber.
    Wer tut so was noch? An

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