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Ein Sturer Hund

Titel: Ein Sturer Hund Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinrich Steinfest
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Rosenblüt sich auf ein solches Manöver einläßt. Wie alle Menschen, die in der Öffentlichkeit stehen, verachtet er diese Öffentlichkeit. Rosenblüt ist ein Demokrat, der nicht an die Demokratie glaubt. Zumindest nicht in dem Sinn, daß er meint, die Aufklärung der breiten Masse könnte zu irgendeiner Art von Gesundung führen. Eher glaubt er an den Teufel.«
    »BND und Secret Service scheinen die breite Masse aber durchaus zu fürchten«, meinte Cheng. »Würde man sich sonst derart um uns kümmern? Bloß weil wir eine kaum beweisbare Geschichte mit uns herumtragen.«
    »Geheimdienste fürchten am Wasser das Nasse«, stellte Dr. Thiel fest. »Das macht ja alles so schwierig: die Paranoia.«
    »Wir sollten vielleicht zurück ins Haus«, schlug Mortensen vor. »Und Rosenblüts Interview abwarten.«
    »Das ist keine gute Idee«, meinte Dr. Thiel. »In der momentanen Situation ist es wichtig, in Bewegung zu bleiben. Je länger wir uns an einem Ort aufhalten, desto wahrscheinlicher ist es, daß dieser Ort unsere englischen Freunde anzieht. Zudem müssen wir an die alte Frau denken. Es wäre nicht recht, sie zu gefährden.«
    Das mußte Mortensen einsehen, wenngleich er sich nicht vorstellen konnte, wie diese ominösen Agenten auf die Wiesensteigsche Villa kommen sollten. Nun, sie waren wohl eher konkret denn ominös zu nennen. Immerhin hatte Cheng einen von ihnen erschossen.
    Die drei Männer stiegen ein, wobei Cheng sich auf einen der rückwärtigen Notsitze preßte und seine Knie anhob, wie um einen Brustpanzer zu formen. Doch bei aller Beengtheit fühlte er sich nicht unbehaglich. Eher geborgen. Geborgen wie in einer freundlichen Gruft. Dem Badezimmer der Mortensens vergleichbar.
    Der Porsche 924 hatte viel Ähnlichkeit mit der Frau von Wiesensteig. Beide besaßen eine Art aristokratische Schwerelosigkeit, die weit über das Abgehobene ihres Namens hinauswies, ja, diesen Namen eigentlich außer Kraft setzte. Der Porsche 924 neutralisierte ein jedes andere Porschemodell, neutralisierte all das, wofür die Firma Porsche eigentlich stand, also für eine gewisse Arroganz sowie die Unförmigkeit des rein Muskulären. Und in demselben Maße hatte auch Frau von Wiesensteig ihre ganze adelige Verwandtschaft an die Wand gespielt. Um schlußendlich auch noch daranzugehen, so gut wie jeden aus dieser Verwandtschaft zu überleben.
    Es war kein leichtes, bis Dr. Thiel den Wagen auf eine der größeren, halbwegs vom Schnee befreiten Straßen gesteuert hatte. Und es muß natürlich gesagt werden, daß der 924er nicht unbedingt das war, was man sich als Schlittenhund vorzustellen hatte. Sowenig wie sich Dr. Thiel als ein versierter Fahrer erwies. Immerhin wirkte seine Anspannung in keiner Weise ansteckend. Cheng und Mortensen waren in sich selbst versunken, bemerkten kaum den Verkehr und Dr. Thiels hektische Rolle darin.
    Ohne daß man dies wirklich abgesprochen hatte, war klar, daß das letztliche Ziel dieser Fahrt der Stuttgarter Fernsehturm sein würde. Und somit Hauptkommissar Rosenblüt, in den nun alle drei Männer ihre Hoffnungen setzten. Denn eine Hoffnung, so vage sie sein mochte, hatten sie bitter nötig. Ein jeder von ihnen fürchtete um sein Leben. Wobei am meisten Dr. Thiel mit seinem Schicksal haderte. Cheng und Mortensen waren bei aller Angst gelernte Fatalisten. Sie hatten ein Zuviel an Schlägen aller Art einstecken müssen, um nicht in dem, was ihnen nun möglicherweise bevorstand, auch etwas Sinnstiftendes zu erahnen. Sinnstiftend deshalb, weil sie sich dezidiert als Versager empfanden und in einem Sektor ihres Bewußtseins überzeugt waren, daß ihr häufiges Scheitern eine tiefere Bedeutung besaß, einem Zweck diente. Wobei es natürlich schwer war, diesen Zweck zu definieren. Mortensen hoffte, daß dieser Sinn darin bestehen könnte, schlußendlich doch noch ein wirklich großes Buch zu verfassen, welches ohne die unglückseligen Momente seines Lebens kaum denkbar gewesen wäre. Dann wieder glaubte er, daß alles ihm Widerfahrene einer Prüfung gleichkam. Was freilich auf eine spirituelle Essenz hinausgelaufen wäre. Ein Gedanke, der sich auch Cheng des öfteren aufdrängte. Obgleich im Grunde areligiös, stellte er sich doch lieber vor, daß der Verlust seines Armes einen übernatürlichen Hintergrund besaß und nicht bloß der statistischen Notwendigkeit entsprang, daß auch in Friedenszeiten hin und wieder jemand eine Extremität einbüßte.
    Im Falle Dr. Thiels lag die Sache anders. Er konnte auf

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