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Ein Sturer Hund

Titel: Ein Sturer Hund Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinrich Steinfest
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Aber er war ein Mann der Tat und wollte es auch bleiben.
    In dem Artikel wurde beschrieben, daß sich die Hinweise verdichten würden, der ermordete Thomas Marlock und der festgenommene mutmaßliche Täter seien in der Mordnacht in einen Streit geraten, bei dem es sich um die Neubesetzung einer Position innerhalb der Geschäftsleitung von »Kranion« gehandelt habe. Beide Personen hätten sich trotz ihrer relativen Jugend, aber eben auf Grund ihrer Leistungen, um die Stelle beworben und auch durchaus über einige Chancen verfügt. Der spätere Mörder habe seinen Freund in dessen Wohnung aufgesucht, um diesen zu überreden, seine Bewerbung zurückzuziehen. Ein Ansinnen, welches Thomas Marlock abgelehnt und solcherart sein Todesurteil unterschrieben habe. Wobei die Polizei nicht von einer geplanten Tat, sondern einer Affekthandlung ausgehe, die allein darin bestanden habe, daß der Täter sein Opfer mit einem Schnitt durch die Kehle tötete.
    Die anschließende Durchtrennung des Kopfes und Unterbringung desselben in einem Aquarium werde von Kommissar Rosenblüt jedoch als der raffinierte und klarsichtige Versuch gewertet, einen Ritualmord vorzutäuschen, um damit von den karrieristischen Hintergründen des Delikts abzulenken. Möglich sei sogar, daß der Täter – welcher über Jahre in Heidelberg lebte und dem also der Fall des ermordeten und geköpften Bernd Pfleiderer bekannt gewesen sein dürfte – seine Kenntnis benutzt habe, eine irreführende Verbindung zu dem Heidelberger Verbrechen herzustellen. Weiters hieß es in dem Bericht: »Der mutmaßliche Täter wird von Kollegen als kalt, ehrgeizig, zynisch und brillant beschrieben. Ein von ihm entwickeltes Programm hat im letzten Jahr Furore gemacht. Das Produkt mit dem Namen ›RWR – Right, Wrong, Ready‹ basiert auf komplexen Erkenntnissen der Wahrscheinlichkeitsrechnung und erleichtert privaten Anwendern völlig simple Alltagsentscheidungen, bis hin zu jener, wie sinnvoll es denn überhaupt sei, an einem bestimmten Tag die eigene Wohnung zu verlassen. Auch wenn dieses Programm von einigen Kritikern als elektronisches Horoskop bezeichnet wird, hat sich der Erfolg beim Kunden als enorm erwiesen. Man kann sich freilich nicht ganz der ironischen Frage entziehen, ob der Erfinder dieser Beratungssoftware und wahrscheinliche Mörder von Thomas Marlock sein eigenes Programm befragte, bevor er zu seinem späteren Opfer aufbrach. Für Hauptkommissar Rosenblüt ist – vom fehlenden Geständnis abgesehen – der Fall so gut wie geklärt. Woraus sich ergibt, daß auch die diesbezüglichen Warnungen an die Bevölkerung eingestellt werden können. Wenngleich eine prinzipielle Vorsicht sicher niemals schaden kann. Eine Vorsicht, die vermutlich den Ratschlägen eines Computerprogramms vorzuziehen ist. Zumindest darf man gespannt sein, welche Auswirkungen dieser Mordfall auf den Verkauf von Produkten der Firma Kranion haben wird.«
    Mortensen legte das Blatt zur Seite, tauchte bis zum Kinn ins Wasser und war nun um ein konzentriertes Nachdenken bemüht. Er stellte folgendes fest: Erstens hatte er ein Problem. Zweitens fühlte er sich nicht in der Lage, dieses Problem zu meistern, also gleichzeitig die Unschuld des Silbergrauen zu bezeugen, sich selbst aber nicht in Verdacht zu bringen. Drittens konstatierte er, daß diese ganze Situation ein professionelles Vorgehen bedingte. Und viertens war festzuhalten, daß ihm selbst jegliche Kompetenz im Umgang mit einem Verbrechen und im Umgang mit den Behörden fehlte. Woraus sich fünftens ergab, daß es notwendig sein würde, in dieser Angelegenheit jemanden zu beschäftigen, der genau über diese Professionalität verfügte.
    Zunächst einmal dachte Mortensen daran, daß es das beste wäre, einen Anwalt einzuschalten. Doch so naheliegend dies auch sein mochte, war Mortensen andererseits von einem tiefen Mißtrauen gegen Juristen beseelt. Der vorletzte Anwalt, mit dem er zu tun gehabt hatte, war höchstwahrscheinlich der Liebhaber seiner Frau gewesen. Und der letzte hatte ihn vertreten, als es um die Forderungen an jene Fluggesellschaft gegangen war, in deren Boeing-Maschine Mortensens Frau ums Leben gekommen war. Mortensen war schlecht beraten gewesen und hatte am Ende erkennen müssen, daß der Advokat an seiner Seite vor allem bemüht gewesen war, sich bei der gegnerischen Seite, also der Fluggesellschaft beliebt zu machen.
    Mag sein, daß dies bloß der Sichtweise eines verbitterten Menschen und Nichtjuristen entsprang, aber es

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