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Ein Sturer Hund

Titel: Ein Sturer Hund Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinrich Steinfest
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war nun mal ein Faktum, daß Mortensen bei Anwälten immer an seine tote Frau denken mußte und daß sein Gedanke dann ein recht ungnädiger war. Außerdem wollte er kein Geld dafür ausgeben, nur um den Rat zu bekommen, zur Polizei zu gehen. Nein, die Person, die er nötig hatte, war eine, die in der Lage sein würde, diesen Mordfall als Ganzes zu lösen, eine Person, der es also gelingen könnte, die Unschuld des Silbergrauen nicht bloß zu behaupten, sondern auch gleich zu beweisen. Und zwar auf eine Art, die es vielleicht sogar ermöglichte, Moritz Mortensen selbst aus der Sache herauszuhalten. Zumindest soweit es dessen so voyeuristisch wie verdächtig anmutenden Aufenthalt im gegenüberliegenden Treppenhaus zur Zeit des Mordes betraf.
    Während Mortensen so weit ins Wasser getaucht war, daß die Oberfläche gegen den Rand seiner Unterlippe stieß, drängte sich ihm ein einziges Wort auf, ein Wort, das ihm seltsam und zugleich grandios erschien: Detektiv . Nachdem sich die Pracht dieses Wortes gleichsam im aufsteigenden Dampf des Badewassers verflüchtigt hatte, fragte sich Mortensen, ob es das überhaupt noch gab, ob es das überhaupt je gegeben hatte: Detektive. Und damit meinte er eben nicht die Angestellten einer Agentur, irgendwelche fragwürdigen Gestalten, die in etwa auf einer Stufe mit Zeitschriftenkeilern rangierten, sondern eben jene Freiberufler, die man gar nicht anders als poetisch verklärt betrachten konnte, da sie den Eindruck hinterließen, nicht wirklich von dieser Welt zu stammen. Vielmehr konnte man meinen, es handle sich bei ihnen um Zeitreisende, Engel oder Außerirdische, welche auf diesem Planeten hängengeblieben waren, oft auch des Alkohols wegen, und denen dann nichts anderes eingefallen war, als einen Beruf zu ergreifen, bei welchem man sich auf eine extravagant-pathetische Weise zwischen den Menschen und ihren getätigten und noch zu tätigenden Verbrechen bewegte.
    »Blödsinn!« murmelte Mortensen in sein Badewasser hinein, jetzt wieder ganz bei sich und damit im Bewußtsein der Gemeinplätze, die er gedanklich gerade eben durchwandert hatte. Doch die Idee an sich gefiel ihm. Er war jetzt fest entschlossen, jemand zu engagieren, der sich dieses Falles annehmen und gleichzeitig seine, Mortensens, Interessen wahren sollte. Das würde Geld kosten. Aber bei genauer Betrachtung besaß er dieses Geld. Zudem war er in die Vorstellung, einen Detektiv zu beauftragen, nun geradezu verliebt. Es war auch der Aspekt des Luxus, der ihn daran faszinierte. Ja, eine solche Person einzuschalten, erschien ihm wie die Anschaffung von etwas höchst Ausgefallenem und Exklusivem. Geradeso, als habe er sich gerade entschlossen, sein Vermögen in eine winzige, aber wunderbare Bleistiftzeichnung des Herrn Dominique Ingres zu investieren.
    Als Mortensen eine Stunde später am großen Wohnzimmertisch saß – vor sich ein Glas Wein sowie das Stuttgarter Branchenverzeichnis – und die Anzeigen der Detekteien studierte, da entglitt ihm zusehends sein Ingres-Vergleich. Die Manier, mit der all diese Detektiv- und Sicherheitsbüros hier für sich warben, erinnerte ihn wieder an das Schmierige, Plumpe, Ehrlose, das durch und durch Unwürdige dieses Gewerbes, diese ganze kleinkarierte Erbsenzählerei, bloß, daß die Erbsen eben im geheimen gezählt wurden. Hier ging es vor allem darum, die Koitusse eines untreuen Partners minutiös aufzulisten oder die Stethoskope auf den hüpfenden Herzschlag der Wirtschaftskriminalität zu richten. Hier wurde schnüffelnd und spähend gelauert, um nachzuweisen, daß jemand seine Spesen nicht ordentlich verrechnet hatte oder seine Katze mit Absicht zum Scheißen in Nachbars Garten schickte. Das war die Welt der Detekteien, eine billige, häßliche Welt, so billig und häßlich wie eben die Kundschaft, die sich der Agenturen bediente. Allein die Formulierung »Einsatz mit verdeckter Kamera« verriet, daß die übliche Detektivarbeit nur noch von der Jämmerlichkeit gewisser spaßiger Unterhaltungsshows übertroffen wurde.
    Der Mensch, der sich in seiner angeblichen Not an eine Detektei oder Auskunftei wandte, gab damit jede Selbstachtung auf, beschritt auf diese Weise einen letzten peinlichen Weg ins Abartige, Unmenschliche. Was übrigens auch dann galt, wenn es sich bei den Auftraggebern um Firmen oder Interessengruppen handelte. Ein Kaufhaus, das eine Kaufhausüberwachung nötig hatte, ein Betrieb, der sich gezwungen meinte, Mitarbeiter überprüfen zu lassen, waren als

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