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Ein Sturer Hund

Titel: Ein Sturer Hund Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinrich Steinfest
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zu verfallen. Und als er sich nun so überaus höflich erkundigte, ob die Anwesenden mit der Bezeichnung »Herr F.« einverstanden seien, folgte ein allgemeines Nicken. Die Mikrophone nickten mit.
    »Der Sachverhalt«, nahm Rosenblüt seine Stellungnahme wieder auf, »daß die Spurensicherung in der Wohnung des Ermordeten eindeutige Hinweise auf Herrn F. entdecken konnte, darf uns auf Grund der privaten Kontakte zwischen ihm und Thomas Marlock nicht weiter verwundern. Auch ist dies nicht eigentlich beweiskräftig. Durchaus jedoch der Umstand, daß wir in der Wohnung von Herrn F. auf ein Kleidungsstück gestoßen sind, auf dem sich Blutspuren sowie Gewebeteile des Ermordeten befinden. Ich muß betonen: Dieser Beweisgegenstand stammt nicht aus dem Besitz des Ermordeten, sondern gehört dem Verdächtigen. Es darf folglich angenommen werden, daß Herr F. das Corpus delicti während der Verrichtung seiner Tat getragen hat.«
    »Worum handelt es sich? Was für ein Kleidungsstück?« kam es aus dem Pulk der Medienvertreter.
    »Ich hoffe, meine Damen und Herren, Sie sind jetzt nicht enttäuscht, aber die Rede ist von einem einfachen, weißen Hemd. Und um gleich Ihren Spekulationen zuvorzukommen, möchte ich feststellen, daß wir nicht über den geringsten Hinweis verfügen, zwischen Thomas Marlock und Herrn F. seien irgendwelche abenteuerlichen sexuellen Praktiken vollzogen worden. Wir vermuten vielmehr, daß eine im Grunde banale Meinungsverschiedenheit zu der Tat geführt hat. Ich will es so ausdrücken: Nicht Ritual, sondern Affekt.«
    »Hat der Täter bereits gestanden?«
    »Nein, hat er nicht.«
    »Beunruhigt Sie das?«
    »Warum sollte es?«
    »Ein Geständnis wäre eine saubere Lösung.«
    »Sauber bedeutet für mich, den Verdächtigen nicht unter Druck zu setzen. Also nicht etwa ein Geständnis aus Herrn F. herauszuholen, welches er dann später widerruft.«
    »Was sagt Herr F. zu den Anschuldigungen?«
    »Zu den Indizien, lieber Herr Labusch, den Indizien. Nun, Herr F. ist derzeit leider nicht bereit, zu kooperieren. Er hat es vorgezogen, das Gewicht der Verdachtsmomente kommentarlos hinzunehmen. Was nicht unbedingt seiner Entlastung dient.«
    »Herr Hauptkommissar Rosenblüt«, meldete sich eine Dame, wobei sie den Namen »Rosenblüt« aussprach, als würde sie sich an den Leiter einer Poetikdozentur wenden. »Wie sehen die Verbindungen zum Fall Bernd Pfleiderer aus, dem Mann, der vor drei Jahren in Heidelberg ermordet wurde?«
    »Ja, da muß ich Sie alle wohl enttäuschen. Es scheint beim derzeitigen Stand der Dinge so zu sein, daß sich Herr F. zur Zeit der Ermordung des Bernd Pfleiderer nicht in Heidelberg aufgehalten hat.«
    »Sondern?«
    »Es tut mir leid, daß ich Ihnen darüber noch keine Auskunft geben darf. Aber so viel möchte ich sagen: Herr F. hätte zur fraglichen Zeit über beachtliche telekinetische Fähigkeiten verfügen müssen, um Bernd Pfleiderer das Leben zu nehmen und dessen Haupt im Bücherregal abzustellen. Nein, nein, es scheint ganz so zu sein, als müßten wir uns von der Theorie verabschieden, der Stuttgarter und der Heidelberger Mordfall würden zusammengehören. Bedauerlich. Aber auch das Bedauerliche muß ertragen werden.«
    »Kommissar Rosenblüt, darf ich Ihnen eine persönliche Frage stellen?« drängte sich Adrian Frank nach vorne.
    »Versuchen Sie es.«
    »Sie vermitteln nicht gerade den Eindruck, als seien Sie zufrieden. Ärgert Sie das Schweigen des Tatverdächtigen?«
    »Keineswegs. Wenn Herr F. es für richtig hält, braucht er bis ans Ende seiner Tage den Mund nicht auf zu tun. Ich bin überzeugt, daß unsere Untersuchungsergebnisse – so, wie sie bereits jetzt vorliegen, und erst recht in ihrer vollständigen Ausarbeitung – für eine Anklage ausreichen werden.«
    »Es klingt so, als hätten Sie Ihr eigenes Urteil bereits gefällt.«
    »Wäre es so, wäre es nicht relevant. – So, meine Herrschaften, das genügt. Haben Sie bitte Verständnis, ich muß meine Arbeit fortsetzen.«
    Nicht der geringste Protest regte sich. Alle verhielten sich einsichtig und gingen sogleich daran, eine Kommentierung dieser improvisierten kleinen Pressekonferenz vorzunehmen. Während Rosenblüt die Stufen nach oben stieg und im Haus verschwand, fielen die Reporter wie Kegelfiguren auseinander und verteilten sich über dem verschneiten Platz.
    »Der Fall scheint gelöst«, erklärte Adrian Frank in die Kamera seiner Fernsehanstalt hinein. »Obwohl die Hintergründe weiterhin mysteriös bleiben.

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