Ein Sturer Hund
Haug, es wäre mir lieb, wenn Sie nicht herumerzählen würden, womit ich mein Geld verdiene. Ich hätte Ihnen nichts davon sagen sollen.«
»Keine Sorge, ich werde meinen Mund schon halten. Also, welche Art?«
»Die nette Art.«
Anna Haug verdrehte die Augen. Dann sagte sie: »Wahrscheinlich sind Sie der Typ, der unter den Betten fremder Leute liegt.«
Eine plötzliche Traurigkeit umfing Cheng. Vielleicht, weil diese Frau ihn zu beleidigen versuchte. Vielleicht, weil es einfach an der Zeit war, traurig zu sein. Er bat Frau Haug, ihn jetzt alleine zu lassen. Man werde sich ja sicher noch einmal sehen und dann mit größerem Ernst über das Wesen der detektivischen Kunst plaudern können.
»Möglich«, meinte Anna kühl und erklärte noch, daß sich die Toilette sowie ein Wasch- und Duschraum gegenüber der Treppe sowie im Erdgeschoß befänden. Dann verließ sie grußlos das Zimmer, wobei sie die Tür bloß anlehnte. Es war Cheng, der sie schloß, dann auch das Fenster verriegelte, aus seinen Schuhen und seinem Jackett schlüpfte und sich ohne weitere Entkleidung, indem er mit den Kniekehlen voran über die vordere Kante kippte, auf dem Bett niederließ. Es war ein weiches Bett. Schlecht für den Rücken, mag sein, aber in diesem ersten Moment lag es sich durchaus bequem. Gemäß der Phrase: wie auf Wolken.
Währenddessen stand Lauscher auf einem Handtuch, welches Anna Haug unterhalb der Heizung aufgelegt hatte. Nach unten hin tropfte es, während es nach oben hin dampfte. Man hätte ihn auch für einen ausgestopften Hund halten können, in den irgendein perverser Kerl einen Luftbefeuchter eingebaut hatte.
Im Liegen stellte Cheng den Radiowecker, der auf einem winzigen, allein dieses Gerät beherbergenden Nachtkästchen stand, auf halb acht und warf dann einen kontrollierenden Blick auf seine Armbanduhr, eine Tissot-Freimaureruhr, die kurz vor halb sieben anzeigte. Nicht, daß Cheng ein Freimaurer gewesen wäre. Die Uhr stammte aus dem Nachlaß eines Kunden, der in seinem Erbe Cheng mit diesem nicht ganz wertlosen Schmuckstück bedacht hatte. Was Cheng ein Rätsel gewesen war. Schließlich konnte er sich nicht erinnern, dem Kunden gegenüber eine besondere Vorliebe für Uhren oder das Freimaurertum bekundet zu haben. Doch da Cheng davon ausging, daß sich der Verstorbene etwas dabei gedacht hatte, trug er diese Uhr Tag und Nacht.
Er verordnete sich eine Stunde Ruhe, und nach wenigen Sekunden tauchte er in den Schlaf ab und geriet zusehends in eine Folge von Traumsequenzen, in denen keine einzige Schneeflocke vorkam. Cheng hätte nicht sagen können, was um ihn herum eigentlich geschah, zu verwirrend waren die Inhalte dieser Traumbilder, zu rasch ging eines in das nächste über, scheinbar zusammenhanglos.
Was jedoch die ganze Zeit über gleichblieb und für Cheng auch das eigentliche Erlebnis bedeutete, war der Umstand, daß sein Hintern ihn kratzte. Und zwar ganz fürchterlich. Wobei sich auch der träumende Cheng durchaus bewußt war, daß dieses Kratzen einzig und allein von dem Polaroid stammen mußte, das auf seiner rechten Pobacke auflag.
Also versuchte er, an das Foto heranzukommen. Leider versagte seine Hand in der typischen traumhaften Weise, indem sie einmal völlig steif blieb, dann wieder wie ein unkontrollierbares Seil hin und her schwang.
Aber kein einziges Mal gelang es Cheng, auch nur den Stoff der Hose zu berühren. Weshalb er schließlich begann, seinen fehlenden Unterarm ins Spiel zu bringen. Er versuchte sich einzubilden, dieser sei noch existent. Cheng ignorierte die eigene Unglücksgeschichte, strich sie aus seinem Bewußtsein. Und obwohl er dabei den Akt der Verleugnung sehr wohl im Kopf behielt, fühlte und sah er nun seinen zurückgekehrten … Pardon! … seinen nie verlorengegangenen linken Unterarm, streckte ihn aus, überprüfte die Beweglichkeit der Finger, schob dann den Arm hinter seinen Rücken und fuhr sich mit der Hand in die Hose, wo er problemlos die Fotografie zu fassen bekam und herauszog. Obwohl um ihn herum diverse Schauerlichkeiten abgingen, hielt Cheng das Foto lächelnd in die Höhe. Das Lächeln verging ihm jedoch rasch. Bei dem Polaroid schien es sich um ein Polizeifoto zu handeln, um die Aufnahme eines Tatorts.
Cheng erkannte darauf sein eigenes Büro, bloß mit dem Unterschied, daß nun ein Aquarium darin stand, welches von seinem Schreibtisch aufragte. Mehrere kleine Nummerntafeln bezeichneten die Stellen, an denen die Spurensicherung Hinweise auf einen
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