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Ein Sturer Hund

Titel: Ein Sturer Hund Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinrich Steinfest
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der Nische heraus in den Gastraum wies. »Die zwei fallen sofort auf. Die armen Würstchen. Sie bemühen sich, wie Zivilisten auszusehen. Aber man merkt, daß sie nicht dazugehören. Zu den Einheimischen nicht. Und zu den Bustouristen ebensowenig.«
    »Ja«, sagte Cheng ohne Triumph. Er hatte sie schnell entdeckt, Rosenblüts Männer, die nicht das Glück eines kleinen, isolierten Tisches gehabt hatten und sich den ihren nun mit einer lautstarken Gruppe betrunkener Rentner teilen mußten. Die Bitterkeit und Wut stand ihnen ins Gesicht geschrieben. Mit Sicherheit hätten sie gerne ihre Polizeimarken gezückt, um die Souveränität über diesen Platz wiederzuerlangen. Aber das wagten sie nicht. Sie behielten eine Tarnung bei, die bereits sinnlos geworden war, wie sie sich eigentlich denken konnten. Aber sie hatten einen Befehl, der über dem stand, was sie sich eigentlich denken konnten.
    »Dummes Spiel«, sagte Cheng. »Aber es gehört dazu. Wir werden die beiden morgen früh abschütteln.«
    »Wie denn?«
    »Das übliche. Wir fahren in der Gegend herum. Dann hängst du sie ab. Danach bringst du mich zurück, und ich kann mir in aller Ruhe die Anstalt ansehen. Ich werde beim Direktor anklopfen. Ja, ich denke, es wird das beste sein, gleich mit dem Chef hier anzufangen.«
    Eine Kellnerin erschien. Sie beantwortete Chengs Frage nach der Herkunft und der genauen Zubereitung der Forelle blau mit der Bemerkung, daß er sicher der Herr sei, der darauf bestehe, im rückwärtigen Gebäude zu übernachten.
    »Was hat das mit dem Fisch zu tun?« fragte Cheng.
    »Nichts«, log sie. »Aber vielleicht kann ich den Koch überreden, bei Ihnen vorbeizuschauen. Des Fisches wegen.«
    »Keine Umständlichkeiten«, bat Cheng. »Der Koch soll bleiben, wo er ist. Es war scheinbar naiv von mir, aber ich dachte, daß auch Sie mir weiterhelfen können. Daß auch Sie eine Ahnung von den Gerichten haben, welche Sie Ihren Gästen servieren.«
    Worauf die Frau nichts sagte, sondern ihren Kopf zu Purcell hindrehte, welcher einen Nudelauflauf bestellte. Ohne jegliche Umstände.
    »Na, geht doch«, sagte die Kellnerin und erkundigte sich nun bei Cheng, ob er die Forelle blau bestellen wolle oder nicht. Sie sei in Eile. Er könne ja selbst sehen, wie es hier zugehe.
    »Deshalb muß ich noch lange keinen Fisch bestellen, von dem ich nichts weiß. Bringen Sie mir ein Bier und ebenfalls eine Portion Nudelauflauf. Mit frischem Salat.«
    Nachdem sie gegangen war, äußerte Purcell, ein Salat sei ohnehin bei der Bestellung eines Nudelauflaufs inbegriffen.
    »Ein Salat vielleicht. Aber da steht kein Wort von frisch.«
    Cheng zog eine Packung Zigaretten aus seinem Jackett, zündete sich eine davon an. Inhalierte, als schlucke er zu große Vitamintabletten. Oder: Inhalierte ruckweise. Oder: Inhalierte in der Art einen Hürdenläufers. Es war eigentlich nicht seine Art, Kellnerinnen auf die Nerven zu fallen. Aber eine Unruhe war in ihm. Zudem hätte er wirklich gerne etwas über die Art der hiesigen Forellenzubereitung erfahren. Auch wenn diese nicht anders sein mochte, als er es gewohnt war.
    Es wurde dennoch ein friedlicher Abend für Purcell und Cheng, obwohl um sie herum ein großes Treiben war. Sie selbst lebten gemächlich in der Abgeschlossenheit ihres kleinen Gewölbes. Zudem erwies sich der Nudelauflauf als ausgezeichnet. Und der Salat als frisch. Jener Chengs genauso wie der, den Purcell erhielt. Daß Purcells Portion deutlich größer war, empfand Cheng als eine kindische Geste. Die er jedoch mit Gelassenheit hinnahm. Denn bereits der erste Schluck Bier hatte eine deutliche Besänftigung in ihm ausgelöst.
    Als Purcell und Cheng gegen elf Uhr den Gastraum verlassen wollten, wurden sie, als sie am Stammtisch vorbeikamen, von den Einheimischen eingeladen, sich dazuzusetzen und ein Glas Schnaps mitzutrinken. Noch während Cheng sich überlegte, wie er dieser Gastfreundschaft entkommen konnte, hatte Purcell Platz genommen. Auch Lauscher zeigte sich gesellig und ließ sich von einem der Männer hinter den Ohren kraulen. Somit kam auch Cheng nicht umhin, die Einladung anzunehmen. Und bereute dies sogleich, als man ihm das Glas bis obenhin einschenkte. Die Leute an diesem Tisch waren viel zu betrunken, um auf eine Bitte zu hören. Allerdings waren sie nüchtern genug, oder auch nur hinreichend gewitzt, um dem eigentlichen Antrieb ihrer Liebenswürdigkeit nachzukommen. Nämlich zu versuchen, Cheng und Purcell auszufragen. Und bald war eines klar: daß die

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