Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Ein Sturer Hund

Titel: Ein Sturer Hund Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinrich Steinfest
Vom Netzwerk:
Stammgäste offenbar etwas hatten läuten hören in bezug auf zwei Stuttgarter Polizisten, die sich seit kurzem in der Stadt aufhielten. Und ganz offensichtlich meinte man, bei Cheng und Purcell handle es sich um diese beiden Beamten. Gerade der Umstand eines asiatisch aussehenden, Wienerisch sprechenden Menschen erschien den Stammgästen als ein Indiz für eine solche Annahme, entsprach dem internationalen Flair, das man einer städtischen Kriminalabteilung zumaß.
    Ohne deshalb gleich zu lügen, ließen Cheng und Purcell die Zweiffelsknoter Bürger in ihrem Glauben. Nach dem zweiten Glas Birnenbrand jedoch erhob sich Cheng und erklärte, er und sein Kollege hätten morgen einen langen Tag vor sich.
    »Eine schöne Uhr haben Sie da«, sagte einer der Männer und lächelte wissend, wohl in Kenntnis des Symbols auf dem Zifferblatt. Wahrscheinlich hielt er es für geradezu normal, daß ein höherer Kriminalbeamter den Freimaurern angehörte.
    »Ein Geschenk«, erklärte Cheng knapp, dankte für die freundliche Einladung und winkte Purcell zu, der sich schwerfällig erhob. Dagegen war die Schwerfälligkeit Lauschers in diesem Moment nur dadurch zu überwinden, daß Cheng den kleinen, aber nicht unbedingt leichten Hund in die Höhe hob und nach draußen trug. Wohlwollend sahen ihm die Stammgäste hinterher. Denn auch dies empfanden sie als typisch, daß nämlich ein Kriminalist nicht über einen ausgebildeten, mächtigen Polizeihund verfügte, sondern über ein altersschwaches, schwerhöriges und kurzbeiniges Tier. Ein Hauptkommissar, und dafür hielten sie Cheng, war für sie ein Mensch mit Ecken und Kanten. Und dazu paßte ein solcher Hund.
    Beleidigungen sind freilich nicht auszuschließen in einer Welt latenten Beleidigtseins, einer Welt, in der ein Ball nicht in ein Loch geschlagen wird, sondern sich unter dem geschlagenen Ball eine dicht gedrängte Masse von Löchern auftut.

Ein Wintermärchen
    Als Cheng gegen halb sieben Uhr aus seinem Schlaf gerissen wurde, hing dies mit den Geräuschen zusammen, die vom Gang her in sein Zimmer drangen. Übrigens erwachte er, ohne daß ihm ein Polaroid am Hintern klebte. Er hatte das Foto, nachdem er sich zum Schlafen ausgezogen hatte, noch eine Weile betrachtet, um es dann auf der Unterseite der Schreibtischschublade anzubringen. Kein Mensch würde dort danach suchen, sagte sich Cheng. Vor allem, weil kein Mensch überhaupt danach suchen würde. Warum denn auch?
    Es war nun keineswegs so, daß die anderen Bewohner des Hauses an diesem Morgen sonderlich lärmten, aber das Schlagen der Türen, das Dröhnen der Radios, die Schritte auf dem knarrenden Holzboden sowie die Gespräche und Zurufe verbanden sich zu einer Klangmasse, die Cheng daran hinderte, noch einmal einzuschlafen. Weshalb er nun ebenfalls sein Radio andrehte und eine gute Stunde lang klassische Musik, Weltnachrichten und einen Essay über die Frage nach der Metaphysik bei Heidegger mit halbem Ohr konsumierte, um dann in den nun menschenleeren Gang zu treten und in das Badezimmer gegenüber der Treppe zu gehen.
    Es dampfte in dem kleinen Raum. Der Geruch von Männern und ihren Rasierwassern war so intensiv, daß Cheng meinte, in seinem Naseninneren finde eine Verklumpung statt. Das Fenster aufzumachen, wagte er der Kälte wegen nicht. Weshalb er die Tür öffnete, um Frischluft hereinzulassen, soweit man die Luft aus dem Flur als solche bezeichnen konnte. Dann stellte er sich unter die Dusche, wo er sich auch die Zähne putzte. Seine morgendliche Reinigung vollzog er so sorgsam wie rasch.
    Kurz vor acht saß er in derselben Nische wie am Vorabend und frühstückte. Wenig später erschien Purcell. Gemeinsam nippte man am Kaffee und wartete darauf, daß die beiden Polizisten auftauchen würden. Was diese aber nicht taten.
    »Vielleicht stehen die zwei schon draußen und frieren sich ihre Ärschchen ab«, mutmaßte Purcell.
    »Kann sein. Aber wie auch immer. Es wäre ziemlich absurd, wenn wir ewig hier säßen, um auf unsere Beschatter zu warten. Die müssen schon selbst schauen, wie sie zurechtkommen.«
    Doch auch als Purcell, Cheng und Lauscher auf den Parkplatz gingen, war nichts anderes festzustellen als der Umstand, daß es ein schöner Tag werden würde. Das klare Blau eines wolkenlosen Morgens stand über den Dingen, denen größtenteils Hauben aus Schnee übergestülpt waren. Auch im Fall des Fiats, den Purcell nun von seiner weißen Pracht befreite.
    »Und was jetzt?« fragte Purcell, als man bereits im Wagen

Weitere Kostenlose Bücher