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Ein Sturer Hund

Titel: Ein Sturer Hund Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinrich Steinfest
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Umstand, daß es nicht jene beiden waren, von denen er bisher beschattet worden war. Der ganze Aufwand irritierte Cheng. Zu viele Leute. Und eben auch zuviel Zerfahrenheit. Die Gesichter dieser Männer glühten. Als sie nahe herangekommen waren, bemerkte Cheng die Tränen in den Augen des einen. Tränen, die nicht von der Kälte kamen, war Cheng überzeugt und fragte: »Haben Sie eine Frau gesehen? Blond, recht groß, heller Mantel. Sie muß in Eile gewesen sein. Sie hat mit dieser ganzen Sache zu tun. Es ist wichtig.«
    »Halten Sie einfach den Mund, Cheng, und kommen Sie mit«, sagte der, der sich besser im Griff zu haben schien. Während jener mit dem verheulten Gesicht merkbar darum rang, seine Kompetenzen nicht zu überschreiten und Cheng ins Gesicht zu springen. Obwohl er ja an Chengs Nase erkennen mußte, daß dies ohnehin bereits jemand getan hatte.
    Cheng nahm Lauscher wieder an die Leine und folgte den beiden Kriminalbeamten, welche ihn hinüber zum Hofnarren brachten. Auf dem vorgelagerten Platz stand ein Hubschrauber der Polizei, zudem mehrere Autos, darunter auch zwei Streifen-, ein Rettungs- und ein Leichenwagen. Zwischen den Gefährten bildeten einige Personen einen Kreis, deren weiße Kittel unter ihren Anoraks hervorlugten. Entweder hatten sie bereits gerettet, was zu retten war. Oder es hatte nie wirklich etwas zu retten gegeben. Wofür auch sprach, daß gerade eben zwei Särge aus dem Leichenwagen gezogen wurden. Und niemand in Eile schien.
    Man führte Cheng in den Gästeraum. Am oberen Ende des Stammtischs saßen Rosenblüt, Dr. Thiel und ein dritter Mann, der Cheng unbekannt war. Jeder der Männer hatte eine Tasse Kaffee vor sich stehen. Am andere Ende des Tisches hockte Purcell, die Unterarme auf die Platte aufgestützt, wobei er eingeschüchtert wirkte, was eigentlich nicht seiner Art entsprach.
    Rosenblüt erhob sich und trat nahe an Cheng heran. Der Hauptkommissar wirkte verändert, hatte sein abstoßendes Lächeln eingebüßt. An dessen Stelle war eine Erschütterung getreten, die echt wirkte. Rosenblüt fragte Cheng, wo er gewesen sei.
    »Ich hatte ein Gespräch mit dem ärztlichen Direktor der Klinik. Kein sehr kooperativer Herr. Sie sollten ihn einmal in die Zange nehmen. Und zwar ordentlich. Der gute Mann läßt Beweismittel verschwinden. Außerdem bin ich im Münster gewesen und möglicherweise auf jene Frau gestoßen, die Thomas Marlock am Abend seines Todes porträtiert und in seine Wohnung begleitet hat. Gestoßen im wahrsten Sinne des Wortes. Ihr in die Faust gelaufen. Wie Sie sehen können.«
    Dabei griff sich Cheng an die Nase und spürte die Kruste getrockneten Bluts, die sich in der Furche zwischen Nase und Lippe gebildet hatte. Dann sagte er: »Sie wollte partout nicht mit mir kommen. Man sollte nach ihr suchen lassen.«
    Rosenblüt schwieg, machte aber eine Bewegung, die Cheng bedeuten sollte, ihm zu folgen. Auch Dr. Thiel und der andere Mann erhoben sich. Man ging hinüber in den Hotelbereich und stieg hinauf ins erste Stockwerk. An der Tür zu jenem Zimmer, in dem Cheng ursprünglich seine Nacht hätte verbringen sollen, stand ein Uniformierter. Aus dem Raum drangen Stimmen sowie das leise Gewitter eines einzelnen Blitzlichtes. Dr. Thiel ging voran. Cheng folgte ihm. Dahinter Rosenblüt. Die Beamten, die sich bereits im Zimmer befanden, traten zur Seite, damit Cheng sehen konnte, was er verpflichtet war, sich anzuschauen. Freiwillig wäre er dazu auch kaum bereit gewesen. Er war alles andere als der hartgesottene Bursche, der jeden schrecklichen Anblick mit Leichtigkeit oder mittels eines rein sachlichen Zugangs zu ertragen verstand. Er hatte in seinem Leben ein paar Leichen gesehen und dies niemals als Bereicherung empfunden. Auch jetzt nicht. Einzig und allein ein Gefühl von Übelkeit packte ihn. Daß er seinen Blick nicht abwandte, bedeutete eine reine Verpflichtung gegenüber Kommissar Rosenblüt, der ein Wegsehen wohl kaum geduldet hätte.
    Auf dem Doppelbett lagen die Rümpfe zweier Personen, welche – gegen die Bettmitte gerückt – zwei Handbreit auseinander lagen. Beide waren mit Schlafanzügen bekleidet und lagen auf dem Rücken. Der eine Körper wies mit dem offenen Hals auf das Oberteil des Bettes, während der andere in umgekehrter Position aufgebahrt war. Auf den Bäuchen der beiden Toten – ebenfalls zur Mitte hin gerückt – waren deren abgeschnittene Schädel postiert worden, wobei die Gesichter quer zu den Leibern und etwas nach vorn gekippt

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