Ein süßes Abenteuer
niemandem sonst, daher muss ich Sie bitten, mich zum Haus seines Arztes zu begleiten.”
“Er verlangt nach mir? Wie sonderbar”, antwortete Neville überrascht.
“Meiner Meinung nach”, erklärte Jackson bedächtig, “will er ein Geständnis ablegen, und zwar ausschließlich vor Ihnen. Vor Gericht gelten die letzten Worte eines Sterbenden als besonders schlagkräftige Beweise, also sollten Sie ihm seinen letzten Wunsch unbedingt erfüllen. Vielleicht wird er Ihnen ja etwas anvertrauen, das seine Mittäter belastet. Man holt bereits einen Priester, weil er wieder den katholischen Glauben annehmen möchte, in dem er als Kind erzogen wurde.”
“Gut, gehen wir”, willigte Neville ein. “Sicher wird die Duchess mich entschuldigen.”
“Aber natürlich”, bestätigte Diana, was ihr jedoch nicht ganz leichtfiel; insgeheim verzehrte sie sich vor Neugier, was George seinem Cousin wohl beichten wollte.
Dr. Andrew Long, der Arzt, der George behandelte, führte Neville und Jackson sofort zu seinem Patienten.
“Sie können jetzt gehen”, sagte er kurz angebunden zu der dicken alten Krankenpflegerin, die neben dem Bett saß. “Ich werde mich auch zurückziehen. Rufen Sie mich einfach, wenn Sie mich brauchen, Sir Neville.”
Als George seinen Cousin erblickte, verzog er seinen Mund zu einem schiefen Lächeln. “Du bist also gekommen”, murmelte er mit schwacher Stimme.
“Du hast nach mir geschickt, also fühlte ich mich dazu verpflichtet”, erwiderte Neville. Letzteres hatte er eigentlich nicht sagen wollen, aber nun konnte er es nicht mehr zurücknehmen.
“Ach ja, dein Pflichtgefühl. Jetzt zähle ich schon zu den hilfsbedürftigen Elenden, für die du dich ständig einsetzt, wie die Kaminfegerjungen und die Textilarbeiter.” George stieß ein heiseres Lachen aus, ehe er fortfuhr: “Ausnahmsweise werde auch ich einmal meine Pflicht erfüllen und dir alles sagen, was du wissen willst, vorausgesetzt, Gott gibt mir die Kraft dazu. Dem Priester werde ich viele Sünden beichten, dir nur die schwerste von allen.”
Da er Diana mit keinem Wort erwähnte, nicht einmal, um sich nach ihrem Wohlergehen zu erkundigen, begann Neville: “Sicher wird es dich freuen zu hören, dass die Duchess of Medbourne den Zusammenstoß mit dem Brauereiwagen heil überstanden hat. Zuerst vergewisserte sie sich, dass ein Arzt sich um dich kümmerte, dann flüchtete sie zu Fuß zu meinem Haus, um dich und sich selbst vor einem Skandal zu bewahren. Ihr Bediensteter, den deine Männer zusammengeschlagen haben, lebt, aber dein Fahrer hatte weniger Glück – er erlag seinen Verletzungen.”
Für einen Moment schloss George die Augen, sodass Neville und Jackson schon befürchteten, er könnte sterben, ohne ihnen seine Informationen zu geben. Zu ihrer Erleichterung hob er bald wieder die Lider.
Als er endlich sprach, hatte seine Stimme einen Teil ihrer früheren Kraft zurückgewonnen. “Vielleicht erinnerst du dich noch daran, dass wir als Kinder nicht bloß Vettern, sondern auch Freunde waren. Aber je älter wir wurden, desto weniger konnte ich dich leiden, weil du jede gute Eigenschaft besaßest, die mir fehlte. Am meisten ärgerte es mich, dass ich allein unter den Ausschweifungen unserer Väter leiden musste – du nicht. Mein Vater verschleuderte am Spieltisch und bei den Pferderennen unser gesamtes Familienvermögen. Obwohl Sir Carlton dasselbe tat, standest du nicht völlig mittellos da, weil er das Erbe deiner Mutter nicht anrühren durfte. Bei unserer Volljährigkeit wurdest du also reich, während ich arm blieb, und als mein Vater starb, erbte ich ein bankrottes Anwesen. Dadurch und durch meine eigene Spielsucht hatten sich so hohe Schulden angehäuft, dass ich mir während des Krieges nicht einmal ein Offizierspatent leisten konnte. Da begann ich erst recht zu spielen, um meine Verluste wettzumachen, bis ich irgendwann damit rechnen musste, für den Rest meines Lebens im Schuldturm zu landen. Zu dem Zeitpunkt sprach Henry Latimer mich an, der auch zu meinen Gläubigern gehörte. Er schlug mir vor, ich könne mich an verschiedenen krummen Geschäften beteiligen, mit denen er sich über Wasser hielt. In meiner Verzweiflung nahm ich sein Angebot nur allzu gern an. Die Bandbreite reichte von Falschspielerei bis hin zu weit ernsteren Verbrechen. Natürlich ging ein Teil meiner Einnahmen an Latimer, auf diese Weise trug ich meine Schulden bei ihm ab. Als einer seiner Partner an der Syphilis starb, überredete er mich dazu,
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