Ein sueßes Stueck vom Glueck
an mit der Bitte, ein Foto zu machen.
Sie nickte dem Obdachlosen von vorhin zu, der seinen Corey-Riegel schon halb aufgegessen hatte.
»C’est de la merde« , informierte er sie im Plauderton. »Denken Sie, nur weil ich obdachlos bin, esse ich alles?«
Sie lief eilig weiter, ohne etwas, um das sie ihre Hand hätte schließen können, hatte sie doch ihren Talisman weggegeben, zumal an einen Franzosen, der nicht einmal ein Dach über dem Kopf hatte und sie darüber hinaus noch herablassend behandelte. Ihre Augen brannten. Sie konzentrierte sich darauf, zu ihrer Wohnung zurückzugehen, sich zu sammeln – sich zu verstecken –, wieder vor ihrem Laptop zu sitzen und eine Liste mit den dritt- bis zehntbesten Chocolatiers von Paris sowie einen Plan zu erstellen.
Die Wärme umhüllte sie, sobald sie sich in den Aufzug zwängte. Das Haus war kaum beheizt, aber hier blies kein Wind. Umgeben von der alten, geblümten Tapete in ihrer winzigen Wohnung stand auf der Arbeitsplatte aus Laminat in der kleinen Einbauküche die riesige Kiste mit Corey-Riegeln, die ihr so oft auf Reisen folgte.
Sie schaufelte einen Arm voll aus der Kiste, setzte sich auf ihr schmales Bett neben dem Fenster, verteilte die Riegel um sich herum und begann zu weinen. Das Klingeln des Telefons unterbrach ihren Tränenfluss. »Cade«, sagte ihr Vater abrupt, während sie tapfer kämpfte, kein einziges Schluchzen entweichen zu lassen. »Könntest du dir die Memos von Jennie und Russel ansehen, die ich dir geschickt habe? Check deine Mails. Ich weiß zu wenig über die Gespräche, die ihr mit den Kaufhausketten geführt habt, und ich weiß nicht, ob sie die richtige Entscheidung treffen.«
»Können die beiden das nicht alleine? Das wäre eine tolle Übung für sie.«
»Ja, aber … Wir würden uns alle besser fühlen, wenn wir deine Einschätzung dazu hätten. Du hast vermutlich auch noch ein paar andere Nachrichten in deinem Postfach. Es wäre nett, wenn du dir die Sache mal ansehen könntest. Wie geht es dir überhaupt, Liebes? Hast du Spaß?«
»Ja!«, log sie enthusiastisch. »Der Kontakt zu diesen kleinen Chocolatiers ist faszinierend. Hier gibt es so viel zu lernen.«
»Mmm«, sagte ihr Vater, der, was die Einführung einer neuen Gourmetlinie betraf, viel skeptischer war als sie. »Die Stadt ist schön, oder? Deine Mutter und ich haben unsere ersten Flitterwochen dort verbracht.«
Julie Corey, geborene Julie Cade, und Mack Corey waren bis zum Tode von Cades Mutter jedes Jahr an ihrem Hochzeitstag in sogenannte Flitterwochen gefahren.
»Ja«, sagte Cade.
»Es hat ihr dort immer gefallen. Weißt du noch, wie wir dich als Kind manchmal dorthin mitgenommen haben? Sie ist gerne einfach in der Stadt herumgelaufen, überall. Es gab kein Kopfsteinpflaster und kein altes Gebäude, das ihr nicht gefallen hätte.«
Cade lächelte bei dem Gedanken an ihre Mutter. So war sie wirklich gewesen.
»Wir vermissen dich hier, Kleines. Ich kann es kaum erwarten, dich wieder hier zu haben. Dass du mir ja nicht am anderen Ende der Welt bleibst, so wie deine Schwester das plant. Aber genieß jede Minute, die du dort bist, ja?«
»Ja«, erklärte Cade. »Das werde ich.« Vor allem, weil diese Minuten begrenzt waren. Ihre jüngere Schwester Jaime schien entschlossen, die familiären Verpflichtungen in den Wind zu schießen und stattdessen lieber die Welt zu retten, also konnte Cade nicht wirklich dasselbe tun. Sie würde bald nach Corey, Maryland, zurückkehren.
Zwanzig Minuten später war sie wieder auf den Beinen, richtete ihre Haare und das Make-up, bis beides wieder dem Paris-Standard entsprach, und überlegte, bei welchem Chocolatier sie ihr Glück als Nächstes versuchen sollte.
Sie betrachtete zweifelnd die Absätze ihrer Stiefel, ihre Füße schmerzten ein wenig von dem Spaziergang heute Morgen. Aber es war eine schlechte Idee, schon an ihrem ersten ganzen Tag in Paris klein beizugeben und flache Schuhe anzuziehen. Wenn die Pariserinnen das konnten, dann konnte sie das auch.
Sie lief und lief und lief.
Und einfach nur zu laufen war wirklich nett.
Abgesehen davon, dass ihre Füße so schrecklich schmerzten.
Und von dem Moment, wo sie in Hundescheiße trat.
Und von dem Moment, wo ein Passant ihr plötzlich an den Busen fasste.
Und von dem Moment, wo sie auf dem Bürgersteig dicht an jemandem vorbeiging und die Zigarette, die er seitlich am Körper hielt, sich in ihren Handrücken brannte. Wenigstens verhöhnte er sie nicht, sondern hielt sie fest,
Weitere Kostenlose Bücher