Ein sueßes Stueck vom Glueck
damit sie nicht fiel, und entschuldigte sich schnell und hastig bei ihr. Sie blickte ihm nach, als er weiterging, und überlegte, ob ihr Bedürfnis, ihn aufzuhalten und sich mit ihm verabreden zu wollen, weil er so nett gewesen war, sie nicht zu verhöhnen, nachdem er sie verbrannt hatte, möglicherweise ein Anzeichen für eine Paris-Schädigung sein konnte.
Sie setzte sich erschöpft in das nächstgelegene Café, bewegte ihre schmerzenden Zehen und bestellte eine Tasse heiße Schokolade. Das Getränk war überraschend dunkel und intensiv, gar nicht wie der Corey-Kakao, den sie als Kind immer getrunken hatte, mit den witzigen kleinen Schneemann-Marshmallows obendrauf. Auf dem Löffel lag ein winziges zylinderförmiges Stück Zucker, sollte sie das etwa in ihren Kakao rühren? Oder würde sie das wie eine Touristin wirken lassen? Vielleicht hatte der Kellner es ihr gegeben, weil er schon ahnte, dass sie eine Touristin war. Er würde sie vermutlich jeden Moment auf Englisch ansprechen. Alle sprachen Englisch mit ihr. Sie hatte Französisch in der Schule und am College gelernt und jahrelang Privatunterricht genommen – und sie alle bestanden darauf, in schlechtem Englisch mit ihr zu reden.
An den Tischen redeten hier und da Leute miteinander, fuchtelten mit Zigaretten über halbleeren Tassen und Gläsern. Vielleicht sollte man jedem Paris-Führer unechte Zigaretten beilegen, um Touristen die Chance zu geben, nicht aufzufallen. War es nicht inzwischen gesetzlich verboten, in Pariser Cafés zu rauchen? Sie legte ihren Mantel und ihre Handschuhe auf den Stuhl neben sich und umfasste die Tasse Kakao, saugte die Wärme auf. Ihre Füße schmerzten noch mehr, jetzt, wo kein Druck mehr auf ihnen lastete.
Die Erschöpfung legte sich schwer auf sie. Fühlte es sich so an, eine Niederlage zu erleiden? Sie hatte dieses Gefühl niemals zuvor kennengelernt und wollte nicht zugeben, dass es jetzt so weit war. Sie sammelte sich nur, das war alles.
Sie war den ganzen Tag gelaufen. Vorbei an wunderschönen Brunnen, versteckt gelegenen Innenhöfen und Schaufenstern, die Kunstwerken glichen. Die Gebäude, die Straßen, das Kopfsteinpflaster, das ihre Stiefelabsätze zerstört hatte, das war alles so, so … Paris. Sie war an der Seine entlanggegangen, und der Fluss war kalt und braun gewesen und wunderschön. Und darüber hatte sich Notre-Dame erhoben und und …
… sie würde zu dem nächsten Chocolatier auf ihrer Liste gehen. Und sie würde sich wappnen – sich jedes Mal noch stärker wappnen –, und dann würde sie hineingehen. Und der Duft und der Anblick von Schokolade würden sie einhüllen, so delikat und fabelhaft und außergewöhnlich und …
… der Chocolatier würde Nein sagen. Simon Casset hatte sie mit einem schnellen, durchdringenden, stahlblauen Blick bedacht und ihr geraten, Sylvain Marquis zu fragen. Doch ein Zucken seiner Mundwinkel hatte verraten, dass er das nur tat, um ihm eins auszuwischen, und nicht , weil er ihr ernsthaft helfen wollte.
Philippe Lyonnais hatte sie mit Augen angestarrt, die schnell dunkelblau geworden waren wie die stürmische See, und er hatte sie tatsächlich angeknurrt . Hatte gebrüllt wie Aslan, der Löwe aus den Chroniken von Narnia . Ihre Ohren hatten immer noch geklingelt, als sie den Laden verließ.
Manchmal sagte einer nett Nein, als wäre sie ein naives junges Ding, das es nicht besser wusste. Manchmal lehnten sie mit einem erstaunten Blick ab, als würden sie sich fragen, wo die Amerikaner diese verrückten Ideen herhätten. Manchmal waren sie ungeduldig, als wären sie die Amerikaner und ihre verrückten Ideen ziemlich leid. Einer hatte ihr Angebot charmant abgelehnt, als könnte sie ihn vielleicht überreden, wenn sie es richtig anfing.
Der charmante Chocolatier stand immer noch als potenzieller Kandidat auf ihrer Liste. Er war sechzig, und sie war ziemlich sicher, dass er sich nur über sie lustig gemacht hatte, aber sie musste einfach noch jemanden dort stehen haben.
Sie verstand immer noch nicht, warum niemand wollte. Sicher hatten sie ihre Prinzipien, was die Kunst ihrer Schokoladenherstellung anging. Genau das hatte sie ja hergezogen; das war die Welt, die sie so leidenschaftlich gern besitzen wollte.
Aber wieso waren sie nicht bereit, sie ihr zu verkaufen? Sie benahmen sich, als würde ein Verkauf diese Welt irgendwie zerstören. Wie eine kleine sture alte Frau in einem historischen Cottage mit ihrem geliebten Garten, die sich weigerte, ihr Grundstück an eine
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