Ein sueßes Versprechen
als bemerkte sie jetzt erst Rafe, drehte sich Esme zu ihm um.
»Ah … Da sind Sie ja, mein lieber Junge. Ich wollte gerade vorschlagen, dass wir heute Nachmittag zum Primatialpalais fahren. Es gibt noch eine ganze Reihe anderer Sehenswürdigkeiten, die unsere Aufmerksamkeit verdienen, aber die können wir uns für morgen aufheben, wenn wir den ganzen Tag lang Zeit haben. Die arme Loretta hier ist derart am Boden zerstört, weil sie entdecken musste, dass die einst so prachtvolle Burg nur noch ein Haufen Schutt und verkohlte Steine ist. Wir müssen etwas unternehmen, um sie aufzuheitern.«
Wenn Loretta eine seiner Schwestern gewesen wäre, hätte Rafe eine spöttische Miene aufgesetzt und es rundweg abgeschlagen, aber Loretta sah wirklich unglücklich aus. Ihrer Miene fehlte der lebensfrohe Eifer, den er sonst immer dort sah. Die kluge Begeisterung, die gewöhnlich aus ihren Augen leuchtete, war verschwunden.
Während er im Geiste die Stirn runzelte, kam Hassan vom Bug herbei. Als Rafe ihn fragend anschaute, bemerkte er leise:
»Kein Anzeichen von Sektenanhängern zu sehen.«
»Da – sehen Sie?« Esme schenkte Rafe ein strahlendes Lächeln. »Kein Grund weit und breit, uns keinen Nachmittagsausflug zu gönnen.«
In ihren grauen Augen stand echte Begeisterung, aber Rafe konnte nicht entscheiden, was sie dringender sehen wollte: die architektonischen Sehenswürdigkeiten der Stadt oder wie ihre Nichte ihm zusetzte.
»Vermutlich hast du recht.« Loretta wandte sich um, um sich an dem Gespräch zu beteiligen, und ihre Züge waren deutlich belebter als eben noch. »Sicher ist das Palais des Primas interessant.« Sie hatte zu Esme gesprochen, schaute aber Rafe an. »Und ein kurzer Ausflug an Land wird uns allen guttun.«
Er erwiderte ihren Blick, war sich der anderen bewusst – Gibson, Rose und Hassan sowie Esme –, die alle auf seine Entscheidung warteten.
Wenigstens nahm sie ihn wieder zur Kenntnis.
»In Ordnung.« Er blickte erst zu Hassan, dann zu Esme. »Aber nur zum Palais des Primas und dann wieder zurück.«
»Natürlich, mein lieber Junge.« Esme lächelte strahlend. »Was immer Sie beschließen.«
Ein willensstarker Anführer hätte sich durch solch leichtfertige Überlegungen nicht umstimmen lassen. Andererseits änderten kluge Anführer ihre Pläne auch, um jede Situation optimal zu nutzen.
Rafe sagte sich, er habe weise gehandelt. Er war entschlossen, sich durchzusetzen und dafür zu sorgen, dass Esme, Loretta und die beiden Zofen sicher an Bord blieben, wann immer Gefahr im Verzug war. Zufälligerweise schien hier in Pressburg aber nichts dergleichen zu drohen.
So schlenderte er hinter Esme und Loretta durch die Räume des Palastes, während sie von einem hilfreichen Kurator hindurchgeführt wurden. Rafe war froh, dass er sich entschieden hatte, dem Weg der Weisheit zu folgen. Nicht nur war Loretta wieder ganz die Alte und stellte eine verständige und raffinierte Frage nach der anderen, sogar er selbst war wider Erwarten fasziniert von der Geschichte des Palais.
»Und das hier«, der Mann stieß eine Tür auf, deren reiche Schnitzereien üppig vergoldet waren, »ist das Zimmer, wo sich die Delegationen getroffen haben, nach Napoleons Sieg bei Austerlitz, um den Friedensvertrag zu unterzeichnen.« Er ging in den Raum voraus und deutete auf einen prunkvollen Tisch und zwei Stühle. »Sie haben dort gesessen, Talleyrand auf der einen Seite, und auf der anderen Seite die österreichische Delegation mit Johann I. Josef von Liechtenstein und Ignácz Graf von Gyulay.«
Der Kurator kannte sich mit der Geschichte aus. Entweder das oder er verfügte über reiche Fantasie. Seine lebendige Beschreibung der Unterzeichnungsszene in allen Einzelheiten ließ den Augenblick wieder aufleben.
Als der Mann ans Ende seines Berichts kam, musste Rafe blinzeln, um wieder in die Gegenwart zurückzufinden, dann schaute er Esme an. Sie schien interessiert, aber nicht berührt. Hinter Esme jedoch stand Loretta, die ebenso gefesselt gewesen zu sein schien wie er.
Nachdem sie den Höhepunkt der Besichtigung erreicht hatten, gingen sie zurück durch die langen Korridore zum Eingangsportal.
Loretta machte angeregte Bemerkungen, ihre Vorstellungskraft war unverkennbar angefeuert durch das, was sie alles gesehen und erfahren hatte. Esme jedoch schien in Gedanken eindeutig woanders zu sein und auf ihre Äußerungen nur abgelenkt zu antworten.
Erbittert drehte sich Loretta schließlich zu ihm um.
»Sie haben doch gegen
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