Ein sueßes Versprechen
wenig albern vor – vierundzwanzig Jahre alt und weniger erfahren als eine alberne Siebzehnjährige –, aber wenn sie mehr lernen wollte, war es nun an ihr, die … Verbindung neu zu beleben.
Es war inzwischen Nacht. Alle anderen Passagiere waren längst in ihren Kabinen. Sie zog sich rasch ihre Pelisse an, öffnete die Tür und schlüpfte hindurch, ging durch den Salon und aus der Kabinentür und machte sich auf den Weg aufs Aussichtsdeck.
Als sie oben an dem Aufgang ankam, hüllte sie Finsternis ein, aber als sie sich umdrehte, sah sie ihn an der Reling. Der Mond war hinter dicken Wolken verborgen. Er war kaum mehr als ein undurchsichtiger Umriss vor dem flüssigen Tintenschwarz des Flusses, aber sie wusste dennoch, dass er es war.
Aber er war nicht allein.
Anhand der Größe des anderen Schattens neben ihm vermutete sie, dass es Hassan war.
Sie hatten sie gehört und drehten sich um.
Sie zögerte.
Rafe stieß sich von der Reling ab und kam zu ihr.
Im schwachen Licht konnte sie seine Züge kaum erkennen.
»Unter den gegebenen Umständen sollten Sie, wenn wir in einer Stadt festgemacht haben, nachts nicht an Deck kommen. Ich schlage vor, dass Sie wieder zurückgehen.«
Sie wollte wissen, welche Umstände denn gegeben seien, aber sein Tonfall war der eines Offiziers, der es gewohnt war, dass ihm ohne Widerworte gehorcht wurde. Er mochte es als Vorschlag formuliert haben, aber es war letztendlich ein Befehl.
»Ich wollte nur meinen gewohnten Abendrundgang machen«, erwiderte sie.
»Dann werden Sie sich unter Deck die Beine vertreten müssen.«
Ihre Augen hatten sich inzwischen an das Licht gewöhnt. Und so wie seine Stimme keinen Anflug von Nachgiebigkeit enthielt, gab es auch keinen in seinem Gesicht auszumachen. Ihr Widerspruchsgeist regte sich, sie erwog, sich zu weigern.
»Weder Hassan noch ich können es uns leisten, von Ihnen abgelenkt zu werden, wenn Sie übers Deck spazieren, während wir Wache halten und die Möglichkeit eines Überfalls besteht. Bitte – gehen Sie nach unten.«
Das »bitte« funktionierte. Sie verkniff sich ein Seufzen, neigte den Kopf, wandte sich um und ging wieder die Stufen hinab.
Es war nicht fair, ihnen ihre Aufgabe zu erschweren. Er und Hassan standen nicht dort in der Kälte, weil sie die ganze Nacht wach sein wollten.
Sie schlüpfte wieder in ihre Kabine, als ihr auffiel, was er gesagt hatte.
Je mehr sie darüber nachdachte, desto sicherer war sie sich, dass ihr Spaziergang über Deck nicht Hassan ablenken würde.
Am folgenden Morgen unternahm Rafe zu Lorettas Überraschung keinen Versuch, sie und Esme von ihrem Vorhaben abzubringen, weitere Sehenswürdigkeiten der Stadt zu besichtigen.
Mehrere Flussschiffe hatten an dem Hauptkai angelegt, sodass sie auf den Straßen der Stadt vielen anderen Passagieren begegneten. Trotz Rafes und Hassans verstärkter Wachsamkeit schien es unwahrscheinlich, dass ihnen hier irgendeine Gefahr drohte.
Sie schlenderten durch das Palais Grassalkovich und den Palast des Erzbischofs, bewunderten die Architektur und die reichverzierte Einrichtung, dann kehrten sie in einem malerischen Gasthof zu Mittag ein.
Während Loretta, Esme, Rose und Gibson darüber plauderten, was sie gesehen hatten, blieben Hassan und Rafe grimmig stumm und betrachteten die ganze Zeit über ihre Umgebung. Aber alles blieb ruhig.
Als sie in das fahle Licht des Winternachmittags traten, blieb Esme stehen und schaute sich um.
»Nur noch die Kathedrale, denke ich, dann können wir zum Schiff zurückkehren, um den Nachmittagstee einzunehmen.« Mit ihrem Stock deutete sie auf den hohen Turm des Martinsdoms.
Die Kathedrale war nur ein paar Minuten zu Fuß entfernt, daher entschlossen sie sich, zu gehen. Die eine Hälfte der Tür am Eingangsportal stand offen. Sie traten in das stille Dämmerlicht eines holzgetäfelten Foyers und gelangten an einem kunstvoll geschnitzten Relief vorbei in das Kirchenschiff.
Hoch aufragende Steinbögen und massive Balken säumten das Dach der Kathedrale und lenkten den Blick auf das Buntglasfenster hinter dem Altar. An Esmes Seite ging Loretta langsam den Mittelgang entlang, bewunderte dabei die prachtvollen Kirchenbänke, die Läufer in Edelsteintönen und die karmesinroten Betkissen. Auf dem Altar lag ein kostbares Altartuch aus feinstem Leinen, mit Goldfäden bestickt. Darauf standen zwei massive Kerzenständer und zwei Goldkelche.
Mit Esme begab sie sich geradewegs zum Altar, um die Goldstickerei genauer zu betrachten. Rose
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