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Ein Tag in Barcelona (German Edition)

Ein Tag in Barcelona (German Edition)

Titel: Ein Tag in Barcelona (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Brühl , Javier Cáceres
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der Bewohner keine Ahnung davon, weil sie diese wunderbare Schweinerei nie probiert haben. Ich lege jedem ausdrücklich ans Herz, zwischen Januar und April Katalonien zu bereisen und sich nach dem Barcelona-Besuch aufs Land zu begeben und in Richtung Süden zu fahren. Genauer gesagt nach Valls und Umgebung, der Heimat der calçots .
    Ursprünglich ist calçotada ein Fest, ein Gelage, das man in größerer Runde feiert. Im Kreis der Familie oder mit Freunden. Der Höhepunkt ist dabei gleich der erste Gang, nämlich die besagten Zwiebeln, die man auf dem Feuer brät, bis die äußere Haut schwarz ist. Anschließend werden sie auf Dachpfannen verteilt und an den Tisch gebracht. Die Technik beim Essen ist schnell erlernt: Man zieht die erste, kohlenschwarze Schale ab und tunkt die saubere, weiße Spitze dann in eine pikante Mandelsauce, in die ich mich, wenn sie gut gemacht ist, reinlegen könnte. Ferrán Adrià, der fünf Jahre hintereinander zum weltbesten Koch gekürt wurde, bietet sie als Fertigsauce an. Aber selbstgemacht ist das natürlich etwas anderes. Was ich an diesem Essen so liebe, ist gerade das derb Bäuerliche: Man bindet sich eine Art Schlabberlatz um den Hals, eine riesige Serviette, und der Wein wird aus einer speziellen Flasche, dem porrón, getrunken, die ein erfahrener Profi so halten kann, dass der feine Weinstrahl bei ausgestrecktem Arm direkt in den Mund läuft.

    Calçotada in Pratdip
    Nach den Zwiebeln, die so lange nachgeliefert werden, bis man nicht mehr kann, kommen noch Lamm und Wurst, weiße Bohnen und Artischocken auf den Tisch, zum Nachtisch wird eine crema catalana gereicht. Als Diät geht das Ganze eher nicht durch, man sollte es also bei einer bis zwei calçotadas pro Saison belassen. Es sei denn, man hat Lust, sich für die calçots -Meisterschaft in Valls fit zu machen. Der aktuelle Rekord vertilgter Zwiebeln liegt bei 452. Vierhundertzweiundfünfzig! Was wohl der Preis dafür ist, dass man sich zwar calçots -Meister nennen kann, aber eine Woche flachliegt und wegen permanenter Vulkanausbrüche nicht unter Leute gehen kann?
    Abgeschlossen wird die Grande Bouffe mit einer Apfelsine, wohl um das Gewissen zu beruhigen, sowie mit einem Kaffee mit Digestive: carajillo .
    Nach dem Gelage, wenn die Sonne prall am meist völlig wolkenlosen Himmel steht, sollte man spazieren gehen. Am besten auf den Platanenalleen, auf denen das Licht von den Blättern in warme Fetzen geschnitten wird und man an all die berühmten katalanischen Maler denken kann: Miró, Tàpies, Maillol, Dalí. Oder man bestaunt die weiß blühenden Mandelbäume der Umgebung, schaut sich die alten, wunderschönen Klöster Poblet oder Santes Creüs an, die stolze Stadtmauer in Montblanc, den sacht dahinfließenden Ebro auf einer Brücke in Miravet. Wenn man die Völlerei dann einigermaßen verdaut hat, fährt man zurück in die große, laute Stadt und freut sich auf das nächste Mal. In all den Jahren gab es niemanden, ob aus Spanien oder Deutschland, dem die Calçotada nicht eine große Freude bereitet hätte.
    Jacinto ist wieder da. Über sein zerknirschtes Gesicht huscht für eine Millisekunde ein zufriedenes Lächeln, als er die Böhnchen einpackt, die er doch noch gefunden hat.
    Fins ara, auf bald, armer Romeo, denke ich – und bedanke mich.
    »Einen Wermut?«, schlägt Xavi vor, »in einer Pinte neben der Markthalle?«
    Diesen Vorschlag kann man unmöglich ablehnen. Denn hier, in den entlegeneren Märkten der Stadt, ist Barcelona noch unverstellt. Nicht so herausgeputzt für die Gäste von außen, sondern noch autochthon und authentisch. Und kaum etwas hat hier so viel Tradition wie der vermut zur Mittagszeit. Ich hab es im Laufe der Jahre sehr zu schätzen gelernt, in kleinen Lokalen, die mit großen Fässern vollgestellt sind, zu dem Gläschen Aperitif noch einen Syphon mit Wasser zu bestellen und, nach Bedarf, noch eine Kleinigkeit zum Naschen. Zum Beispiel die köstlichen frittierten Sardinen in der Plata, einer meiner Lieblingswermutkneipen in der Calle Mercé 28.
    In diesen manchmal düsteren, manchmal grell neonbeleuchteten Kaschemmen findet man die echten Katalanen, Männer mit roten Nasen, die einem erklären werden, dass der einzig wahre vermut aus der Gegend um Tarragona herum stammt, genauer gesagt aus dem Dorf Sequita. Ich habe ihn probiert, und ich kann sagen: Es stimmt!

    Xavi und ich setzen uns mit unserem Getränk nach draußen und genießen die Frühlingssonne. Temperatur und Licht könnten nicht

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