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Ein Tag in Barcelona (German Edition)

Ein Tag in Barcelona (German Edition)

Titel: Ein Tag in Barcelona (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Brühl , Javier Cáceres
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vom FC Barcelona, Josep Guardiola, war und ist ein beliebter caganer, aber das gilt auch für die Bundeskanzlerin Angela Merkel, auf die man in Spanien nicht mehr ganz so gut zu sprechen ist. Präsident Barack Obama und Papst Benedikt werden ebenfalls gerne genommen. Ich weiß, dass ich es in Spanien erst geschafft haben werde, wenn auch ich mal in die Ecke einer Krippe kacken darf. Das mag blasphemisch klingen. Aber die Kirche hat es nie verboten, sondern akzeptiert die kleinen Scheißer sogar: Auch den Bischöfen, die übrigens hier ganz in der Nähe ihre Kathedrale haben, ist der Stuhlgang heilig. Wahrscheinlich, weil eine gute Verdauung seit jeher als etwas Positives und Gesundes empfunden wurde.
    Und wo wir schon mal beim Christfest sind, müssen wir auch über den berühmten Kackonkel sprechen, den cagatió . Dieser Onkel ist ein Holzstamm, dem ein Gesicht aufgemalt wird. Dieser Stumpf wird dann von den Kindern geschlagen, damit er nach der Messe, wenn die kleinen Sadisten heimkehren, seine Geschenke, nun ja, »ausscheißt«.
    Die Mexikaner in der Bar sind ziemlich überrascht, als sie das hören, dabei haben sie auch einige gewöhnungsbedürftige Sitten. Doch richtig peinlich berührt sind sie, als der alte Mann ihnen lachend und lallend einen katalanischen Abschiedsgruß entbietet: »Esst kräftig, kackt gut und habt keine Angst vorm Tod!«
    Es entsteht eine peinliche Pause, nachdem die beiden brav bestätigt haben, wie interessant das Ganze doch sei, sie wissen nicht so recht wohin. Aufs Klo will jetzt jedenfalls keiner. Die Frau zieht es schließlich vor, das Lokal zu verlassen. Der alte Kneipenonkel dreht sich wieder um und zwinkert mir stolz zu: »Ich habe nichts als die pure Wahrheit erzählt. Me cago en deu! «, lacht er. Auf Deutsch: »Ich scheiß auf Gott!«

Ich habe noch eine Zeitlang mit dem alten Mann an der Theke gestanden, doch dann zog es mich wieder hinaus. Ich wollte weiter durch die Nacht irren – und habe mich tatsächlich in den dunklen Gassen des Born verlaufen. Erst an der Rambla, der berühmten Promenade, die von der Kolumbusstatue zur Plaça de Catalunya führt, erlange ich die Orientierung wieder. Dort ist auch der berühmte Boquería-Markt, der längst zu einem Touristentempel geworden ist, aber noch immer charmante Ecken hat.
    Mittags gehe ich gerne im Kiosko Universal essen, einer Art Freiluftrestaurant, das von Einheimischen und Fremden geliebt wird. Vor ein paar Jahren gab es am Markt einen Riesenskandal, nachdem eine Zeitung Fotos abgedruckt hatte, auf denen deutlich zu sehen war, wie Prostituierte unter den gewölbten Bögen des Marktes ihr Geschäft verrichteten. Den käuflichen Sex unter freiem Himmel hatte es schon lange vorher gegeben, nicht einmal drohende Geldbußen hatten dies ändern können. Doch der Aufschrei nach den veröffentlichten Fotos war so groß, dass viele der Prostituierten zurück ins Raval gedrängt wurden, das immer noch als das gefährlichste, verruchteste und schmutzigste Viertel Barcelonas gilt. Und das auch mich heute Nacht ruft.

    Hier im Raval haben schon immer Huren die Straßenecken gesäumt oder vor kleinen Kabuffs auf Kundschaft gewartet; die allerwenigsten gingen ihrem Beruf freiwillig nach. Kriminelle und Paradiesvögel leben und sterben hier noch immer nebeneinander. Es gibt Zuhälter mit dicken Zigarren und viel Gold im Mund, die ihre Kontrollgänge machen; Ausländer, die ein Abenteuer suchen; heulende Mädchen, die bei ihrem Barcelona-Besuch ausgeraubt wurden und nur noch zurückfliegen möchten. Studenten, die ihr Bier schlürfen und die Welt verändern wollen; Künstler, die all diese Eindrücke in sich aufnehmen, um etwas Kreatives daraus zu machen. Straßensänger auf der Suche nach Publikum. Polizisten, die sich mehr oder minder engagieren, Transvestiten, die aufgeregt auf ihren Auftritt warten und sich nicht beleidigen lassen. Zerfallene Häuser, die tausend Geschichten erzählen, bunte Laken, die einen willkommen heißen oder vielleicht verabschieden sollen. So mancher versinkt hier irgendwann in einer berstend lauten Nacht, die einen aufsaugt und nicht ziehen lässt. Auch deshalb konnte es für das Lokal, das ich vor ein paar Jahren mit meinem Freund Atilano in Berlin-Kreuzberg eröffnet habe, auch nur einen Namen geben: Bar Raval.
    Das Raval in Barcelona ist ein authentischer Ort, einer dieser Flecken, wo man förmlich riecht, dass ein Hafen nicht weit entfernt sein kann, mit Ecken voller sprödem Charme. In Hamburg kennt man

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