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Ein Tag ohne Zufall

Ein Tag ohne Zufall

Titel: Ein Tag ohne Zufall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pearson Mary E.
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das Wort ab. Mist. Jetzt denkt Seth womöglich, ich mache mir was aus ihm. Solche Ausrutscher passieren mir nicht oft. Ich gehe solchen Situationen lieber von vornherein aus dem Weg.
    »Da hast du mich zur Kenntnis genommen?«
    »Na ja.« Ich schaue nach vorn und mache ein gelangweiltes Gesicht. Vielleicht lässt er mich dann in Ruhe. Allerdings sehe ich aus dem Augenwinkel, dass er irgendwelche Verrenkungen vollführt, und schließlich drehe ich mich doch zu ihm.
    Er hat den Arm angewinkelt wie ein Bodybuilder und lässt den Bizeps spielen, bloß dass man durch sein gebügeltes langärmliges Hemd mit dem Schulwappen kaum etwas erkennen kann. Grinsend fragt er: »Also … was ist dir denn an mir aufgefallen?«
    »Deine Haare. Die waren total unordentlich«, sage ich sachlich wie der Kommentator in einem altmodischen Dokumentarfilm.
    »›Struwwelpeter‹ hat sie dich genannt.«
    »Aha. Struwwelpeter.« Es klingt irgendwie enttäuscht. Wäre es ihm lieber, er hätte mehr Eindruck auf mich gemacht, oder gibt es etwas, worauf er an sich selber besonderen Wert legt? Er gibt seine Pose auf und nimmt die Hand wieder ans Lenkrad.
    Es ist unerträglich still im Auto, auch wenn nach wie vor der Fahrtwind über uns hinwegbraust.
    »Du kannst Auto fahren«, sage ich. »Deswegen habe ich dich angesprochen. Außerdem hatte dich jemand ungerecht behandelt. Genau wie mich. Wir hatten vorübergehend etwas gemeinsam.«
    Er nickt, und ich schaue wieder weg, betrachte die Landschaft, die verschwommen wie ein Gemälde von Monet vorübersaust.
    »Du bist mir auch aufgefallen.«
    Ich kneife die Augen zusammen, versuche die grünen, grauen und gelben Kleckse scharfzustellen.
    »Und zwar nicht wegen deiner Frisur«, schiebt er hinterher.
    Gerade hatte ich mich an das leichte, gelöste Gefühl in meiner Brust gewöhnt, da schlägt es auf einmal in eine warme Schwere um. Wo bleibt Mira, wenn ich ihre besänftigende Art dringend brauche? Aber nein, ausgerechnet jetzt gibt sie keinen Mucks von sich. Ich streiche sie sofort wieder von der Liste der Leute, mit denen ich mich möglicherweise anfreunden könnte, wenn ich mich überhaupt mit jemandem anfreunden wollen würde.
    Ich schaue stur geradeaus und versuche mich wegzuträumen, in eine Welt der richtigen Antworten und der richtigen Gefühle. Das zerknüllte Kalenderblatt in meinem Papierkorb fällt mir wieder ein. Könnte ich nicht ausnahmsweise heute jemand anders sein, nur einen Tag lang?

8
    »He – was ist das da vorn?«
    Wir beugen uns alle vor und versuchen, das Schild zu lesen.
    »Ein Motel!«
    »Da gibt’s was zu essen!«
    »Und Sprit. Los, abbiegen!«
    »Die Abzweigung ist doch bloß ein besserer Feldweg«, gibt Seth zu bedenken, »ich glaube nicht, dass man da irgendwo tanken kann.«
    »Abbiegen!«, brüllen wir im Chor. Mit quietschenden Reifen folgt Seth unserer Anweisung. Der Wagen gerät ins Schleudern, die Hinterreifen schrappen über den nicht asphaltierten Seitenstreifen, Kies und Erdbrocken spritzen auf, aber es gelingt Seth, wieder alle vier Reifen auf die Fahrbahn zu kriegen.
    Obwohl er das Armaturenbrett so bewundert hat, ist es ihm offensichtlich nicht in den Sinn gekommen, auf den Benzinstand zu achten. Aidan musste ihm auf die Schulter tippen und ihm zeigen, dass wir auf den letzten Tropfen fahren. Ich muss an Mr Nestor denken und bin nicht überrascht. Es passt zu seiner nachlässigen Erscheinung.
    Die schmale Landstraße ist ausgesprochen hügelig. Bergauf, bergab geht es, bergauf, bergab, und Seth muss im Schneckentempo fahren, damit der langgestreckte Wagen nicht aufsetzt. Er schüttelt den Kopf. »Und hier soll eine Tankstelle kommen?«
    »Hast du eine bessere Idee? Du kannst uns natürlich auch bis Langdon schieben«, gebe ich zurück.
    »Warum hast du denn nicht
vor
unserem Ausflug vollgetankt?«, fragt er.
    Ich gehe nicht auf seinen vorwurfsvollen Unterton ein. »Weil das Ganze nicht geplant war, sondern eine spontane Idee.« Und weil alles so schnell ging. Erst jetzt wird mir bewusst, wie ein Schritt zwangsläufig zum nächsten geführt hat.
    »Und dann hast du uns drei getroffen. Wenn das kein Timing war!«, sagt Mira fröhlich.
    »Oder doch eher Fügung?«, kontere ich.
    Aidan stöhnt auf.
    »Es sind
meine
neunzehn Meilen«, rufe ich ihm ins Gedächtnis zurück. »Hatte einer von euch schon mal Mr Nestor in Mathe?«
    »Wen?«
    »Mr Nestor. Integralrechnung und so.«
    »Nö. Wir hatten immer den blöden Crawford«, erwidert Aidan.
    »Mr Nestor ist als

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