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Ein Tag ohne Zufall

Ein Tag ohne Zufall

Titel: Ein Tag ohne Zufall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pearson Mary E.
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rot zu werden und sich vor Verlegenheit zu winden. Er berappelt sich zwar gleich wieder, trotzdem ist es peinlich zuzusehen, wie er zappelt wie ein Fisch, und ich komme ihm rasch zu Hilfe. Noch bevor ich den Mund aufmache, geht mir der Gedanke durch den Kopf, ob ich womöglich zu oft mit Mira zusammen bin. »Bestimmt hat dich dort bloß keiner verstanden, und du musstest andauernd in der Ecke stehen.«
    Aidan zieht erstaunt die Augenbrauen hoch. So viel Einfühlungsvermögen hat er von mir anscheinend nicht erwartet. Tja, eine gewisse Beobachtungsgabe hat auch ihr Gutes. Er beugt sich vor und packt meine Rückenlehne. »Stimmt genau! ›Auszeit‹ nannten die das. Ich hab praktisch meine ganze Vorschulzeit in der Ecke gehockt und auf die Tabelle geglotzt, auf der eingezeichnet wurde, wie schnell wir wachsen.«
    Mira wird schlagartig ernst und schiebt das Kinn vor. »Wie ungerecht!«
    »Das kannst du laut sagen!«, ruft Aidan. »Ich war einfach nur frühreif. Wissbegierig. Die haben einem dort stumpfe Scheren gegeben, damit man keinen Blödsinn anstellen kann. Dabei ist es ja wohl kein Ding, einen Knopf wieder anzunähen! Und diese ewige Fingerfarbe! Warum kriegen Kinder keine vernünftigen Pinsel?«
    Seth hupt. »Unser Streber ist ein Vorschul-Revoluzzer!«
    »Wer hätte das gedacht«, sage ich.
    Mira tätschelt Aidan die Schulter. »War das schlimm für dich, dass du die Vorschule wiederholen musstest?«
    Aidan nickt finster. »Grässlich. Ich musste die Einrichtung wechseln. Die erste Erzieherin hat sich geweigert, es noch mal mit mir zu versuchen.«
    Mira seufzt mitfühlend und lässt eine kurze Pause eintreten, um Aidans Offenbarung angemessen zu würdigen. Dann redet sie weiter. »Bestimmt bereut die Frau ihre Entscheidung inzwischen. Wenn die wüsste, wie du dich gemacht hast!«
    »Ja, wenn die wüsste …«, sage ich.
    Ehe Aidan auf meine Bemerkung eingehen kann, applaudiert Mira und erklärt damit Aidans Beichte für beendet. »Jetzt seid ihr dran, Des und Seth!« Sie lässt sich auf ihren Sitz plumpsen und wartet gespannt.
    Ein dröhnender Donnerschlag, begleitet von einem grellen Lichtschein, zerreißt den Himmel über unseren Köpfen. Seth macht eine Vollbremsung, wir schauen alle in dieselbe Richtung. Das Donnergrollen verklingt.
    »Was war
das
denn?«
    »Ein Flugzeug?«
    »Glaub ich nicht. Zu schnell.«
    »Eine militärische Geheimwaffe?«
    »Die Hedgebrook ausradieren soll.«
    »Ein Blitz?«
    »Guck dir doch den Himmel an. Siehst du irgendwo ’ne Wolke?«
    Was es auch gewesen ist, mir ist die Unterbrechung ausgesprochen willkommen. Mira äußert eine Vermutung nach der anderen, Aidan nutzt die Gelegenheit und lässt uns an seinem schier grenzenlosen Wissen über seltene Wirbelstürme und Positive Riesen teilhaben. Diese Monsterblitze können kilometerweit vom eigentlichen Gewitter entfernt einschlagen und treten selbst bei wolkenlosem Himmel auf. Seth gibt wieder Gas, und unser Ausflug geht weiter, unsere Ein-Tages-Meuterei gegen die Ungerechtigkeiten dieser Welt.
    Die Stimmen meiner Mitfahrer verschmelzen ebenfalls zu einer Art Dröhnen, und ich denke über Miras und Aidans Geheimnisse nach. Auch ihr Leben wird von Ungerechtigkeiten bestimmt, von Ungerechtigkeiten, die schwer zu fassen sind, weil man sie verbergen und verdrängen muss, in der Hoffnung, dass sie irgendwann nicht mehr wahr sind. Kann man etwas tatsächlich derart lange verdrängen? Aber als Aidan ohne Punkt und Komma weiterquasselt und mit seinem Wissen angibt, sehe ich eine von Kopfschmerzen geplagte Vorschulerzieherin vor mir, die auf das Stühlchen in der Ecke zeigt, weil sie einfach nicht mehr kann. Ungerecht oder verständlich? Alles hat seine zwei Seiten.
    »Und was hältst du davon?«, wendet sich Seth an mich.
    »Wovon?«
    »Von dem Blitz eben. Von dem Krach. Von unserer Fahrt. Von mir. Du bist dran.«
    Ich schiele über die Schulter. Aidan und Mira unterhalten sich angeregt über Kugelblitze und Überschallknall.
    »Ganz schön viele Fragen auf einmal«, sage ich. »Anspruchsvolle und …«, ich mustere ihn von oben bis unten, »… banale.«
    »Na schön, dann fang doch mit mir und unserer kleinen Spritztour an. Warum sollte ausgerechnet
ich
deinen Fahrer spielen, obwohl du mich die ganze Zeit wie Luft behandelst?«
    »Macht sie doch gar nicht!« Mira unterbricht ihre Unterhaltung mit Aidan und klinkt sich in unsere ein. »Als du im Internat angekommen bist …«
    »Klappe, Mira!«, schneide ich ihr eine Spur zu energisch

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