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Ein Tag ohne Zufall

Ein Tag ohne Zufall

Titel: Ein Tag ohne Zufall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pearson Mary E.
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auf mich ausüben. Nach jahrelanger Verweigerung hatte ich endlich zu sprechen angefangen. Was ich dann zu sagen hatte, galt nicht als salonfähig. Was hatten sie denn erwartet? In Parton Manor sollte ich lernen, wie man sich benimmt, davon gingen alle aus. Hat auch irgendwie geklappt.
    Vielleicht habe ich aber dort auch nur gelernt, dass es von Vorteil sein kann, sich unsichtbar zu machen. Unsichtbar zu sein macht vieles einfacher. Man redet dann nicht zu viel und vor allem nicht zu wenig. Wer zu wenig redet, macht seinen Mitmenschen Angst und provoziert Fragen. Die Leute fürchten sich vor dem, was in einer Stummen vorgeht.
    Vielleicht nicht ohne Grund.

7
    In Richtung Norden führt die Straße sanft und stetig bergab. Mir wird immer leichter ums Herz, und ich stelle mir vor, dass der Wind, der durch das Auto weht, auch aus meinem Inneren alle möglichen undenkbaren Dinge wegfegt. Für Oktober ist es ungewöhnlich warm, kein winterlicher Hauch liegt in der Luft, auch wenn Birken, Amberbäume und Ahornbäume schon in rotgoldener Pracht stehen. Die Welt vor uns gleicht einer Ansichtskarte, und ich überlege mir den Text, den wir gerade draufschreiben.
    »Lasst uns was spielen!«
    War ja klar, dass die Stille nicht lange andauern kann. Das hält Mira nicht aus.
    »Auf einer Autofahrt macht man immer Spiele! Hat jemand einen Vorschlag?«
    Niemand antwortet, alle hoffen, dass sie dann noch ein Weilchen stumm weitergrübelt. Aber wir haben oft genug mit Mira gefrühstückt, um zu wissen, dass Schweigsamkeit nicht ihre Stärke ist. Es drängt sie einfach, auch kleinste Verstimmungen zu glätten, ausgleichend und besänftigend zu wirken.
    »Ich wüsste eins. Ein Kennenlernspiel.«
    »Wir kennen uns doch schon alle, Mira«, wehrt Aidan ab.
    »Das Spiel ist dazu da, dass man sich noch besser kennenlernt! Man muss etwas erzählen, was man noch keinem anderen Menschen anvertraut hat. Ein Geheimnis sozusagen. Ich fange auch an, okay?«
    Seth schaut mich skeptisch an. Zweifelt er an dem Spiel oder an mir? Ich drehe mich weg und schaue nach hinten, zu Mira. Die starrt angestrengt in den Himmel und überlegt anscheinend, was sie uns für einen Knaller auftischen kann. Hoffentlich fällt ihr was richtig Gutes ein, denn sie darf gleich für mich mitspielen. Ich habe nicht vor, irgendwem irgendwas anzuvertrauen.
    »Okay«, sagt sie, »aber ihr müsst mir versprechen, es nicht weiterzusagen.
Niemals.
« Sie wird ein bisschen rot, und Aidan setzt sich gerade hin. Das Spiel hat sein Interesse geweckt.
    »Versprochen!«, sagt er herausfordernd.
    »Erzähl schon«, sagt auch Seth und beobachtet Mira neugierig im Rückspiegel.
    Sie holt tief Luft. »Ich hab am rechten Fuß zwei zusammengewachsene Zehen. Mit einer Schwimmhaut dazwischen.«
    »Wie eine Ente oder so?«, fragt Aidan.
    Mira läuft puterrot an. Ich bewundere sie dafür, dass sie uns so etwas Persönliches erzählt. Vielleicht ist das für sie ja wie Blutsbrüderschaft schließen, wo sich alle in den Finger stechen und die Wunden aneinanderdrücken.
    »Ist ja irre!«, sagt Seth. Es klingt ehrlich begeistert, kein bisschen angewidert. Hat er vorübergehend Miras Rolle übernommen und versucht, ihre Verlegenheit zu besänftigen?
    »Zeigst du uns deinen Fuß mal?«, fragt Aidan.
    Mira zuckt die Achseln und zieht widerstrebend den rechten Schuh und die Socke aus. Sie streckt den Fuß zwischen den Vordersitzen durch und spreizt die Zehen. Ein weißliches Häutchen verbindet ihren kleinen Zeh mit dem Nachbarzeh.
    Aidan macht große Augen. Er scheint tief beeindruckt. »Da bist du doch bestimmt eine Superschwimmerin.« Es klingt überhaupt nicht ironisch, sondern im Gegenteil anerkennend. Mira grinst und zieht Socke und Schuh wieder an.
    »Mein Geheimnis ist nicht so aufregend«, meint Aidan dann. »Aber es weiß niemand darüber Bescheid, nur meine Eltern.«
    Seth nimmt den Fuß vom Gas. Das Auto gleitet dahin, und wir warten darauf, was uns Aidan zu erzählen hat.
    »Und?«
    »Ich bin in der Vorschule sitzengeblieben.«
    Verblüffte Stille, bis Seth und Mira schließlich in prustendes Gelächter ausbrechen.
    »Du schwindelst!«, sagt Mira, als sie sich halbwegs wieder eingekriegt hat. Ausgeschlossen, dass unser Oberstreber so etwas fertiggebracht hat!
    »Wie kann man denn in der Vorschule sitzenbleiben?«, will Seth wissen. »Hast du dich geweigert, Mittagsschläfchen zu halten, oder was?«
    »Oder wolltest du deine Milch nicht trinken?«, bohrt Mira weiter.
    Jetzt ist es an Aidan,

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