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Ein Tag ohne Zufall

Ein Tag ohne Zufall

Titel: Ein Tag ohne Zufall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pearson Mary E.
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an dir nicht nur aufgefallen, dass deine Haare unordentlich waren.«
    »Was denn noch?« Es klingt misstrauisch.
    »Am ersten Tag, als du bei uns warst, ist mir aufgefallen, wie du dich durch den Raum bewegst. Durch den Chemieraum, die Bibliothek, den Speisesaal. Wo du eben grade bist. Und wie du redest. Als würdest du die anderen schon ewig kennen, dabei warst du der Neue.«
    »Hast du dich darüber gewundert?«
    »Nicht gewundert. Ich kannte dich ja gar nicht. Mir ist es einfach aufgefallen, und ich fand es erstaunlich, dass du ganz locker mit Leuten ins Gespräch kommst, die du zum ersten Mal siehst. Und zwar mit allen.«
    »Locker?« Er schüttelt grinsend den Kopf. »Ich war total unsicher. Bin ich immer. Aber ich kann inzwischen damit umgehen.«
    »Wie meinst du das?«
    Er rutscht auf seinem Stein herum und schaut mich an. »Wegen dem Beruf von meinem Vater muss ich oft umziehen. Ich war schon überall auf der Welt, aber nie länger als ein Jahr am selben Ort. Da kann ich es mir nicht leisten, die Leute erst näher kennenzulernen. Ich muss gleich ins kalte Wasser springen, sonst kann ich mich nie mit irgendwem anfreunden, bevor ich wieder wegmuss.«
    Nie länger als ein Jahr? Wie schafft man das? Er ist noch öfter umgezogen als ich!
    »Und wie lange bleibst du in Hedgebrook?«, frage ich.
    »Nach dem, was wir uns heute geleistet haben … tja … Eigentlich soll ich in Hedgebrook meinen Abschluss machen. Meine Eltern sind gerade in Singapur, weil mein Vater dort eine Stelle bekommen hat, aber jetzt, wo ich bald aufs College gehen soll, sieht sich meine Mom nicht mehr in der Lage, mir mit dem Lernstoff zu helfen. Ich bin zwar in allen Fächern ziemlich gut, aber damit mich ein gutes College nimmt, muss ich noch etwas tun. Meine Eltern dachten, es wäre besser für mich, wenn ich mal ein paar Jahre an einem Ort bleibe. Besser in Hinblick auf meine Ausbildung.«
    »Hast du Heimweh nach deinen Eltern?«
    Er steht auf, wischt sich umständlich die Hände an der Jeans ab, dann nickt er. »Schon.«
    Ich beobachte Seth schon lange, aber ich wäre nie im Leben auf die Idee gekommen, dass er unsicher ist. Oder dass er manchmal Heimweh hat. Ich wäre nie auf die Idee gekommen, dass er und ich irgendetwas gemeinsam haben.
    Mira und Aidan kommen zurück, und ich stehe auf. Seth dreht sich um und sieht sie auch.
    Mira hat Lucky auf dem Arm. Aidan und sie springen über den Bach, dann stellt Mira Lucky auf dem Boden ab. Er verspeist sogleich eine knallgelbe Löwenzahnblüte.
    »Lucky hat sein Geschäft gemacht!«, verkündet Mira stolz.
    »Es ist echt nicht zu fassen«, sagt Aidan kopfschüttelnd.
    »Es war genial. Ich hab bloß zu ihm gesagt: Lucky, alter Kumpel, wir haben heute noch viel vor. Darum musst du das Fressen mal kurz unterbrechen und aufs Klo gehen. Mehr brauchte ich nicht zu sagen. Ich habe auf den Boden gezeigt und er …«
    »… er hat sein Geschäft so prompt erledigt, dass ich zur Seite springen musste«, beendet Aidan den Satz.
    »Wie findet ihr das?«, fragt Mira strahlend.
    Ich schüttle den Kopf. »Tadelloses Timing, könnte man sagen.«
    »Genau das hab ich auch gesagt, stimmt’s, Mira?«
    Mira kichert.
    Tatsächlich – ich weiß nicht, ob es gerade zum ersten Mal passiert oder ob es mir nur zum ersten Mal auffällt –, jedenfalls kriegt Aidan tatsächlich einen verträumten Blick, als er Miras Namen ausspricht.
    Ein kühler Windstoß macht mir Gänsehaut. »Wir müssen weiter«, sage ich, und wir steigen einer nach dem anderen wieder ein. Wir und Lucky.

14
    Ich hatte mir eine Schwester gewünscht, aber als ich herausfand, dass es ein Bruder werden würde, freute ich mich nach einer Weile genauso. Für eine Sechsjährige ist ein Baby wie das andere, und Mama hatte mir schon versprochen, dass ich ihr helfen dürfte, den Kinderwagen zu schieben, da war es doch egal, ob in dem Kinderwagen ein Junge oder ein Mädchen lag. Außerdem erläuterte mir Papa die Vorteile eines Brüderchens. Ein Bruder würde sich nicht meine Anziehsachen ausborgen oder mit meinen heiß geliebten Madame-Alexander-Kostümpuppen spielen wollen. Allerdings hielt ich es vor Ungeduld kaum aus, was bei einer Sechsjährigen nicht überraschend ist.
    »Du musst die Hand ganz still halten, Destiny. Du bist zu ungeduldig«, sagte Mama. Ich hatte meine Hand auf ihren dicken Bauch gelegt. »Wir müssen den richtigen Augenblick erwischen, wenn sich das Baby bewegt. Timing ist alles.« Sie klopfte auf ihren Bauch, vielleicht war sie

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