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Ein Tag ohne Zufall

Ein Tag ohne Zufall

Titel: Ein Tag ohne Zufall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pearson Mary E.
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wie ein schiefer Gockelhahn.« Ich stelle Glas und Haferbreischüssel in die Kiste für das gebrauchte Geschirr neben der Tür. »Das wär doch mal ein schöner Anblick gewesen!«

3
    Hier in Hedgebrook versuche ich, mir keinen Ärger einzuhandeln, was mir im Allgemeinen auch gelingt. Aber heute ist von Anfang an der Wurm drin. Als ich vor die Tür trete, stelle ich fest, dass Mrs Wickets Vorhersage zutrifft und der Tag sonnig und windstill ist. Wenn ich will, kann ich mir nämlich alles Mögliche einbilden. Ich kann mir sogar einbilden, dass ich super drauf bin, wenn es mir grade in den Kram passt, und das kommt öfter mal vor. Dabei passe ich aber immer höllisch auf, dass ich Einbildung und Wirklichkeit noch unterscheiden kann. Vorhin im Speisesaal hat sich der Himmel tatsächlich an einem wolkenlosen Tag verdunkelt, so viel steht fest.
    Statt mich zu beeilen, weil Staatsbürgerkunde gleich anfängt, schlendere ich um Carroll Hall, unser Wohngebäude, herum und halte nach einer Wolke Ausschau. Vielleicht versteckt sich ja eine im Park, weil es dort schön ist und weil heute der neunzehnte Oktober ist. Solche Übereinstimmungen nehme ich nicht auf die leichte Schulter. Aber als ich im menschenleeren Park den Kopf in den Nacken lege, ist der Himmel immer noch strahlend blau. Nicht das kleinste Wattewölkchen hat sich im Wipfel einer Fichte verfangen.
    Von weitem klingelt es zum letzten Mal zum Unterricht. Die Töne wabern durch die Luft, als seien sie auf der Suche nach mir, als wollten sie mir zurufen:
Brauchst dich nicht zu beeilen, Des, es ist sowieso wieder mal zu spät.
Ich gehe weiter den Kiesweg entlang, bis ich an eine von gestutzten Hecken eingefasste lange Steinbank komme. Ich lasse mich so behutsam nieder, als könnte ich die Welt dazu bringen, mich in Ruhe zu lassen, wenn ich mich nur ganz unauffällig benehme. Ich spüre, wie leer der Park ist. Kein Wind. Keine Wolken. Keine Tante Edie. Es ist seltsam still, als hielte der Park den Atem an, oder vielleicht bin ich es selbst, die den Atem anhält. Alle vier Reifen geklaut. Eine überzeugende Entschuldigung. Tante Edie kann nicht kommen.
    Ein kaltes Zittern kriecht meine Wirbelsäule hoch und breitet sich in meiner Brust aus, und nur weil ich ganz allein bin, gebe ich nach, beuge mich vor und schlage die Hände vors Gesicht. Das Zittern wird stärker, bis es mich schüttelt. In meinem Hals steckt etwas fest und will heraus. Ich schaukle mit zusammengekniffenen Lippen hin und her. Wenn mein Mund zubleibt, habe ich gewonnen. Ich zähle stumm:
Eins … zwei … drei …
    »Musst du nicht zum Unterricht?«
    Die angehaltene Luft platzt aus mir heraus, und ich richte mich auf. Am anderen Ende der Bank sitzt ein Fremder.
    »Wie heißt du?«, fragt er.
    »Das geht Sie gar nichts an! Man schleicht sich nicht an andere Leute ran!« Ich verstecke die zitternden Hände zwischen den Knien. »Hab ich einen Schreck gekriegt!«, setze ich hinzu.
    »Hast du geweint?«
    Ich sehe ihn argwöhnisch an. »Sind Sie ein Serienmörder, oder was?«
    »Ich bin Mr Nestor.«
    »Ich hab Sie hier noch nie gesehen.«
    »Ich bin als Gastlehrer bei euch. Mathe. Integralrechnung.«
    »Und warum sind
Sie
nicht im Unterricht?«
    »Womit sich die Katze in den Schwanz beißt.«
    Ich mustere ihn. Komischer Typ. Ich meine nicht vom Aussehen her. Er sieht ziemlich normal aus. Wie ein Lehrer eben. Dichtes, zerzaustes Haar, das einen Kamm vertragen könnte. Kurzer, gepflegter Bart, am Rand schon ein bisschen grau. Ein altmodischer Anzug von der Stange, der schon länger kein Bügeleisen mehr gesehen hat. Ungewöhnlich ist die Art, wie er spricht, langsam und ruhig, als hätte er alle Zeit der Welt, als hätte er gewusst, dass er mich im Park findet. Was ausgeschlossen ist, weil ich selber nicht wusste, dass es mich hierherzieht.
    »Sie sind so plötzlich aufgetaucht … ich hab Sie gar nicht gehört«, sage ich.
    Er streckt mir einen Schuh hin. Gummisohlen. »Du hast meine Frage noch nicht beantwortet«, entgegnet er.
    »Die Antwort lautet nein. Ich habe bloß ein paar Dehnübungen gemacht. Yoga – schon mal gehört?« Er nervt mich, und mein Zittern schlägt in Ärger um. Ich werde sauer.
    »Yoogaa …« Er zieht das Wort in die Länge und streicht sich den Kinnbart. Die drahtigen Haare knistern wie eine Kokosmatte.
    Supersauer.
    »Okay, das mit dem Yoga war geschwindelt. Aber geweint habe ich nicht!«
    Ein guter Beobachter ist er nicht, so weit kann ich ihn schon einschätzen.
    »Aber du

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