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Ein Tag wie ein Leben: Vom Krieg (German Edition)

Ein Tag wie ein Leben: Vom Krieg (German Edition)

Titel: Ein Tag wie ein Leben: Vom Krieg (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arkadi Babtschenko
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anständig trinken. Das Wasser ist sauber, auch wenn es über die Erde fließt – der Graben muss ganz in der Nähe aufgebrochen sein.
    «Männer, vielleicht trinken wir Wein?», schlage ich vor.
    «Ja, hör mal, natürlich trinken wir!» Ruslan, ein ossetischer Volkssturmmann, springt auf und klettert in die Fallschirmspringerluke, um die Flasche zu holen. «Wein muss kalt getrunken werden! Warm schmeckt er nicht mehr!»
    «Nein. Später. Nach den Kämpfen.» Das sagt Terek, der Kommandeur des Zuges.
    «Gut, wenn nicht, dann nicht», füge ich mich.
    «Wieso nicht! Wir trinken jetzt gleich! Ich stoße mit dir an!»
    Ruslan holt die beschlagene Flasche. Da läuft einem das Wasser im Mund zusammen. Kühler Wein … Schön säuerlich … Wir schneiden eine Plastikflasche auf, Ruslan gießt ein.
    «Na, Männer, auf den Frieden.»
    Ich nehme ein paar Schlucke. Der Wein ist jung, er arbeitet noch. Aber lecker. Ich reiche Ruslan den Becher.
    «Nimm es weg», sagt Terek.
    «Wieso weg? Was zum …»
    Terek packt ihn am Schlafittchen, schlägt ihm den Becher aus der Hand. Die Flasche knallt mit dem Boden auf die Panzerung und zersplittert. Ruslan steht da. Guckt wortlos. Dann beginnt er auf Ossetisch zu fluchen. Manchmal wechselt er halblaut ins Russische: «In deinem Land kannst du rumkommandieren, du Möchtegern-Rambo! Das hier ist mein Zuhause …»
    Niemand mischt sich ein. Keiner greift zum Messer. Alle tun so, als wäre nichts geschehen. Nur Artur fragt beschwichtigend: «Was motzt du, Ruslan?»
    «Ich motze nicht, er motzt. Sind hier eingefallen …»
    ***
    Wir stehen lange. Vor uns irgendein Dorf. Hinter uns Platanen, etwa zwei Kilometer entfernt die langen weißen Gebäude eines Kuhstalls. An der Kurve sieht man, wie die Spitze der Kolonne in die Straße einzieht.
    Alles geht ganz schnell. Am Kuhstall blitzt das grelle Licht eines Schusses auf, gefolgt von der Detonation. Fetter schwarzer Rauch kriecht über die Bäume. Dann noch ein grelles Blitzlicht und eine zweite Detonation. Kein Granatwerfer, sondern etwas Ernsthaftes. Der Rauch über den Platanen verdichtet sich. Scheiße, verdammte! Haben sie etwa getroffen?
    Wir rasen ins Dorf. Von dort kommt uns unsere Technik entgegen, in Eile, angeschlagen. Ihr folgt, in kurzen Sprinteinlagen, die Infanterie. Auf dem Feld eine Batterie Selbstfahrlafetten, die auf zwei Ziegelsteinkasernen links ballert. Da fliegen die Fetzen. Über den Kasernen weht die georgische Flagge. Die Panzer schießen aus der Fahrt. Dort, wo es brennt, wird jetzt ordentlich geschossen. Ein Kampf entflammt. Der Krieg ist los. Boogie-Woogie geht ab.
    Wir laufen den Graben entlang zur Kreuzung. Kurz vor der Einfahrt gabelt sich die Straße – eine führt geradeaus, eine nach links und eine nach rechts, am Wasserturm vorbei. Rechts steigt fetter Rauch auf.
    Ein großer Teil des Bataillons hat schon das Dorf erreicht, unsere Gruppe ist die letzte. Wir laufen zur Pumpstation. Geraten in die Feuerzone. Hier kann man schon Splitter abbekommen. Ich sehe einen, der direkt auf meinen Kopf zufliegt. Ein Schritt zur Seite: «Achtung, Splitter!»
    Er fällt zu Boden, springt ein paarmal hoch und prallt von Ruslans Schienbein ab. Ein ordentlicher Kawenzmann. Hätte töten können. Der nächste geht drei Meter weiter rechts nieder. Wir zerstreuen uns. Im Liegen-Laufen-Modus bewegen wir uns robbend am Graben entlang. Ist das ein Beschuss, ist es eine Panzerschlacht? Man weiß es nicht. Sehr starkes Feuer von beiden Seiten. Detonation, Gesicht auf den Boden, ein Heulen und das Rascheln zerrissenen Eisens über dem Nacken, dann fünf, sechs Sekunden verharren, rasch aufrappeln und weiterlaufen, bis zur nächsten Explosion.
    Vom Graben aus kommen wir noch hundert Meter weiter, dann fliegen die Splitter so dicht wie in einem Sturzregen. Einer trifft mich im Fallen an der Hüfte. Ein heftiger Schlag. Aber offenbar keine echte Verwundung, nur ein Kratzer.
    Vor uns der Kuhstall. Unter Gewehrfeuer liegen wir bisher wohl nicht, man sieht auch keine Bewegung, aber ein Stück weiter im Dorf tobt ein heftiger Kampf. Die Tschetschenen bearbeiten den Kuhstall und das Gebüsch aus MP -Granatwerfern. Neben mir Artur. Er setzt die Waffe aufs Knie und schießt im Steilfeuer. Dann wirft er sich hin, lädt nach und rollt sich ein wie ein Igel, wenn heulend das nächste Geschoss explodiert. Das Geknall der Granaten geht im allgemeinen Lärm unter.
    Ich versuche, etwas ins Bild zu bekommen. Mach den Berichterstatter, Zeit zu

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