Ein Tag wie ein Leben: Vom Krieg (German Edition)
Fladen zerquetschte Lada Samara. Immerhin, meterlange Splitter der Grad, überall verteilt.
Auf dem Rückweg kommen wir am Standort eines Bataillons Friedenstruppen vorbei. Die Kaserne ist praktisch niedergerissen. Die verbrannten Schützenpanzer stehen weiterhin da – nicht nur zwei, drei. Gefeuert haben sie bis zuletzt nicht. Ein weiterer drinnen. Dazu der Panzer an der Kaserne. Die Georgier haben mit direktem Feuer draufgehalten, es gelang ihnen sogar, in den Standort einzudringen – sie näherten sich von der Seite des Fahrzeugparks und schossen aus Panzerkanonen. Brannten alles bis auf die Fundamente nieder. Hier hat ein grausamer Kampf stattgefunden. Die Friedenstruppen schickten Scharfschützen aufs Dach und beschossen die Infanterie. Als es im glutheißen Keller nicht mehr auszuhalten war, wagten sie den Ausbruch. Sie hatten gerade die erste Kette der Angreifer durchbrochen, da stießen sie schon auf die zweite. Durchbrachen auch sie. Dabei, heißt es, sei ein Mann gefallen. Verwundet wurden mehr oder weniger alle. Sie zogen sich in ein Gehölz zurück und hielten die Rundumverteidigung, bis die Armee anrückte.
Ich bitte Wladimir anzuhalten, damit ich die Schützenpanzer aufnehmen kann. Er ist unwillig: «Wozu das? Haben sie doch schon auf allen Sendern gezeigt.» Ich verstehe ihn. Wladimir ist ein guter, offenherziger Mensch. Er macht nur seine Arbeit. Der Führung ist nicht an einer objektiven Beleuchtung der Ereignisse gelegen. Gewünscht ist Agitprop – Bilder von der Aggression der Georgier, von getöteten Kindern, von der zerstörten Stadt. Dass die 58 . Armee mit nur einem einzigen Bataillon in Marschkolonne einmarschiert ist, soll möglichst nicht erwähnt werden. Dass die Georgier fast zwei Tage lang die Lufthoheit innehatten, wird verschwiegen. Die Zahl der Getöteten wird nicht genannt. Verbranntes russisches Militärgerät soll besser nicht gefilmt werden. Getötete georgische Militärs sollen auch nicht gezeigt werden.
Die Korrespondenten vom Ersten Fernsehkanal interessieren sich für Lagerstätten mit den Leichnamen friedlicher Bewohner. Kinder am besten. Diese Sensationsgier ist so unübersehbar, dass sogar die uns begleitende ossetische Journalistin aus der Haut fährt: «Hört auf mit dem Unsinn! Was für Leichen? Die werden alle von ihren Verwandten abgeholt und begraben! Kein Wort mehr von Leichen!»
An der Mauer einer Schule liegt ein georgischer Soldat. Der Leib ist aufgedunsen, Kopf, Brust und Arme sind von der Hitze vollkommen schwarz geworden. Ein schwer erträglicher Geruch. Gut, dass ich seit dem Morgen nichts gegessen habe.
In der benachbarten Straße noch einer, neben einem weiteren ausgebrannten Panzer. Der Kopf durchstochen, eine Plastiktüte darübergezogen – damit man nichts sieht. Im umgekippten Helm daneben etwas Rot-Graues. Nicht weit davon noch fünf Leichen – jemand durchsucht sie der Reihe nach, mit abgewandtem Kopf. Er will die Papiere.
Ein Stück weiter noch einer. Auf dem Platz dann verbrannte Panzerfahrer. Dort bereits viel Volks, außerdem Soldaten und Volkssturm. Sie knipsen. Ich selbst fotografiere inzwischen ungehemmt, aus verschiedenen Blickwinkeln. Das Brustbein eines der Fahrer ist nicht mehr zu erkennen, über Nacht haben die Hunde es völlig zerbissen. Ich spüre überhaupt nichts mehr. Pfeif drauf.
An einem Pfosten das Schild: «Moderne Geisteswissenschaftliche Universität. Moskau. Zweigstelle Zchinwali.» An der Modernen Geisteswissenschaftlichen habe ich studiert. Bachelor für Internationales Recht. Lustig.
***
Insgesamt habe ich an diesem Tag sieben abgeschossene georgische Panzer und etwa dreißig Leichen gezählt. Dem Gestank nach zu urteilen liegen im Dickicht noch ein paar mehr. Dort hat unsere Luftwaffe die Georgier beharkt.
Zerpflückte Technik. Verbrannte Häuser. Das Krankenhaus überfüllt. Kinder auf Lastkraftwagen. Zhorik im Keller. Die Leiche in der Garage. Verbrannte Frauen in Stoffsäcken. Ein verbrannter georgischer Fuß in einem Panzer. Die brennende Leiche eines Georgiers. Fünfundzwanzig bei lebendigem Leib in Schützenpanzern verbrannte Soldaten. Zum Teufel, warum immer alles verbrannt? Hitze. Staub. Wenn es wenigstens Wasser gäbe … Russland im Krieg mit Georgien. In welchem Albtraum hätte man sich das je vorstellen können?
Ich springe auf den Panzerwagen zu den Jamadajew-Leuten und fahre zur Säuberung. Der Bildredakteur unserer Zeitung, Artem, gebürtig aus Tiflis. Ich komme mit dem Panzer zu dir,
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