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Ein Tag wie ein Leben

Ein Tag wie ein Leben

Titel: Ein Tag wie ein Leben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicholas Sparks
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gemacht.«
Wieder schüttelte Jane empört den Kopf und setzte zu einer leidenschaftlichen Rede an: Die Hochzeit solle der schönste Tag in Annas
Leben werden, deshalb müsse sie auch entsprechend begangen werden, ein unvergessliches Fest - aber Anna antwortete, dass es auch
ohne das ganze Drumherum eine richtige Heirat sei. Die Stimmung
war nicht feindselig, sie hackten nicht aufeinander herum, aber sie
drehten sich im Kreis und kamen nicht weiter.
Normalerweise ordne ich mich in solchen Dingen Jane unter, vor
allem, wenn es um unsere Töchter geht, aber ich merkte, dass ich in
diesem Fall etwas zur Klärung der Lage beitragen konnte. Also setzte
ich mich gerade hin, räusperte mich und sagte:
»Vielleicht gibt es ja einen Kompromiss.«
Anna und Jane schauten mich verdutzt an.
»Ich weiß, dass dir der Termin am nächsten Wochenende sehr
wichtig ist, Anna«, sagte ich. »Aber hättest du prinzipiell etwas dagegen, wenn wir noch ein paar zusätzliche Gäste einladen, außer dem
engsten Familienkreis? Und würde es dich stören, wenn wir beide bei
den Vorbereitungen mithelfen?«
»Keine Ahnung, ob dafür noch genug Zeit ist…«, begann Anna.
»Aber wärst du damit einverstanden, dass wir es wenigstens versu
chen?«
Die Debatte zog sich noch eine ganze Stunde lang hin, doch am
Schluss hatten wir ein paar konstruktive Kompromisse erzielt. Anna
zeigte sich erstaunlich entgegenkommend, nachdem ich mich eingemischt hatte. Sie kenne einen Pfarrer, sagte sie, der bestimmt bereit
sei, nächste Woche die Trauung zu übernehmen. Jane wirkte erleichtert, als die Pläne nun etwas konkretere Gestalt annahmen.
Ich dachte allerdings nicht nur an die Hochzeitsfeier meiner Tochter, sondern auch an unseren dreißigsten Hochzeitstag. Ich hatte mir
fest vorgenommen, diesen Tag ganz besonders schön zu gestalten,
denn schließlich hatte ich etwas gutzumachen! Und nun sollte am
selben Tag plötzlich noch ein zweites Fest stattfinden. Ich wusste,
welchem der beiden man mehr Bedeutung zumessen würde.
    Das Haus, in dem Jane und ich wohnen, liegt am Trent River, der
an dieser Stelle fast achthundert Meter breit ist. Manchmal sitze ich
draußen auf unserer Veranda, die wir meistens als »Deck« bezeichnen, weil sie nur nach hinten hinaus geht, und beobachte die kleinen
Wellen, auf denen das Mondlicht tanzt. Je nach Wetterlage kann man
den Eindruck bekommen, das Wasser sei ein eigenständiges Lebewesen.
    Anders als Noahs Haus hat unseres keine Veranda, die ums ganze
Haus herumgeht, sondern hinten das Deck und vorn eine normale
Veranda. Es wurde nämlich in einer Zeit gebaut, als Klimaanlagen
und Fernsehen dafür sorgten, dass die Leute viel mehr Zeit drinnen
verbrachten. Bei unserem ersten Rundgang durch das Haus warf Jane
einen Blick aus den Fenstern, die nach hinten hinaus gehen, und beschloss sofort, wenn sie schon keine richtige Veranda haben konnte,
wie es hier in den Südstaaten üblich war, dann wollte sie wenigstens
ein großes Deck. Es war die erste von verschiedenen Veränderungen,
die wir an dem Haus vornahmen und mit denen wir es nach und nach
so umgestalteten, dass wir es wirklich als unsere Heimat betrachten
konnten.
    Nachdem nun Anna wieder gegangen war, blieb Jane noch für eine
Weile auf dem Sofa sitzen und starrte auf die gläserne Schiebetür,
die zum Deck führte. Ich konnte ihren Gesichtsausdruck nicht richtig
deuten, aber gerade, als ich sie fragen wollte, was ihr durch den Kopf
gehe, stand sie auf und trat nach draußen. Dass der Abend ein
Schock für uns beide gewesen war, daran gab es keinen Zweifel.
Deshalb ging ich in die Küche und machte eine Flasche Wein auf.
Jane trinkt nie besonders viel, aber hin und wieder gönnt sie sich
doch ein Gläschen, und die Neuigkeiten, die uns unsere Tochter soeben aufgetischt hatte, schienen ein angemessener Anlass zu sein.
    Mit einem Glas in der Hand trat ich hinaus auf das Deck. Die Abendstille wurde vom Quaken der Frösche und vom Zirpen der Grillen durchbrochen. Der Mond war noch nicht aufgegangen, und am
anderen Flussufer konnte ich die gelblichen Lichter der Landhäuser
erkennen. Es ging ein leichter Wind, und ich hörte das harmonische
Klimpern der Windorgel, die Leslie uns letztes Jahr zu Weihnachten
geschenkt hatte.
    Sonst war alles still. Im milden Schein der Lampe erinnerte mich
Janes Profil an das einer griechischen Statue. Wieder einmal verblüffte es mich, wie stark sie noch der jungen Frau glich, die ich vor
so langer, langer Zeit kennen

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