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Ein Tag wie ein Leben

Ein Tag wie ein Leben

Titel: Ein Tag wie ein Leben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicholas Sparks
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halben Seite hörte ich plötzlich
ihre Stimme.
»Hi, Wilson.«
Lächelnd stand sie vor mir. »Ich habe dich letztes Wochenende gar
nicht gesehen«, fuhr sie fort. »Hoffentlich hab ich dich nicht vergrault.«
Ich schluckte, weil ich kein Wort herausbrachte. Sie war noch viel
hübscher als in meiner Erinnerung! Ich weiß nicht, wie lange ich sie
anstarrte - jedenfalls lange genug, dass sie mich besorgt fragte: »Wilson? Ist alles in Ordnung?«
»Ja, klar«, antwortete ich schnell. Mehr fiel mir nicht ein.
Jane nickte. Sie wirkte jetzt auch etwas durcheinander. »Also
dann… tut mir Leid, dass ich dich nicht gesehen habe, als du reingekommen bist. Sonst hätte ich dir einen Platz in meinem Teil angeboten. Du bist ja schon fast mein Stammkunde.«
»Ja, klar«, sagte ich wieder. Diese Antwort passte zwar überhaupt
nicht, aber es wollte mir einfach kein vernünftiger vollständiger Satz
gelingen.
Sie wartete. Vermutlich dachte sie, ich würde noch etwas hinzufügen. Als ich schwieg, schien sie enttäuscht. »Na ja, ich sehe, du
willst weiterlesen«, sagte sie mit einer Kopfbewegung zu meinem
Buch hin. »Ich wollte dich nur kurz begrüßen und mich noch mal
dafür bedanken, dass du mich neulich zu meinem Auto begleitet hast.
Lass dir dein Frühstück schmecken.«
Sie wandte sich zum Gehen, und in dem Moment unternahm ich einen letzten verzweifelten Versuch, den Bann zu brechen, der meine
Zunge lähmte.
»Jane?«
»Ja?«
Ich räusperte mich. »Vielleicht könnte ich dich ja mal wieder zu
deinem Auto begleiten. Auch wenn es nicht regnet.«
Sie musterte mich ein wenig erstaunt, ehe sie antwortete: »Das fände ich sehr nett.«
»Wie wär’s mit heute?«
Sie lächelte. »Ja, gern.«
Sie wollte gehen, aber ich rief ihr nach: »Da ist noch etwas, Jane!«
Sie blickte über die Schulter zurück. »Ja?«
Endlich gestand ich mir selbst ein, weshalb ich gekommen war. Ich
legte beide Hände auf mein Buch, um aus dieser Welt, die ich so gut
verstand, Kraft zu schöpfen.
»Hättest du Lust, mit mir essen zu gehen - jetzt am Wochenende?«
Ich glaube, sie fand es amüsant, dass ich so lange gebraucht hatte,
um diesen Vorschlag zu machen.
»Ja, Wilson«, sagte sie. »Sehr gern.«
    Wie sonderbar - nun war es mehr als dreißig Jahre später, und wir
saßen mit unserer gemeinsamen Tochter im Wohnzimmer und sprachen über deren Hochzeitspläne.
    Annas Wunsch, schon so bald zu heiraten und ein ganz schlichtes
Fest zu feiern, stieß bei Jane auf wenig Gegenliebe. Sie schien wie
erstarrt, aber dann wachte sie wieder auf, schüttelte empört den Kopf
und flüsterte mit wachsender Dringlichkeit: »Nein, nein, NEIN!«
    Rückblickend erscheint mir ihre Reaktion alles andere als verwunderlich. Ich glaube, zu den Momenten im Leben, auf die eine Mutter
sich am allermeisten freut, gehört die Hochzeit ihrer Tochter. Ein
ganzer Industriezweig beschäftigt sich ausschließlich mit diesem
Ereignis, und daher ist es nur natürlich, dass fast alle Mütter genaue
Vorstellungen haben, wie dieses Fest aussehen soll. Annas Ideen
standen in krassem Widerspruch zu dem, was sich Jane für ihre
Töchter ausgemalt hatte, und obwohl es sich um Annas Hochzeit
handelte, konnte Jane ihre Traumvorstellungen so wenig abschütteln
wie ihre eigene Vergangenheit.
    Jane hatte nichts dagegen, dass Anna und Keith an unserem Hochzeitstag heirateten - sie wusste ja besser als alle anderen, wie es um
Noah stand, und außerdem mussten Anna und Keith demnächst umziehen -, aber ihr gefiel es absolut nicht, dass die beiden nur standesamtlich heiraten wollten. Dass ihr gerade mal acht Tage für die Vorbereitungen blieben, fand sie grauenhaft. Und dass Anna es vorzog,
im kleinen Kreis zu feiern.
    Ich saß stumm dabei, als die Verhandlungen losgingen. Jane sagte:
»Und was ist mit den Sloans? Es würde ihnen das Herz brechen,
wenn sie nicht eingeladen werden. Und John Peterson! Er hat dir
jahrelang Klavierunterricht gegeben, und ich weiß doch, wie gern du
ihn mochtest.«
    »Aber dass wir heiraten, ist wirklich keine große Sache«, wandte
Anna ein. »Keith und ich wohnen doch schon zusammen. Die meisten Leute behandeln uns längst wie ein Ehepaar.«
»Was ist mit dem Fotografen? Ich wette, ihr wollt, dass jemand
    Bilder macht.«
»Ich könnte mir denken, dass viele Leute ihre Kameras mitbrin
gen«, entgegnete Anna. »Oder du könntest diese Aufgabe übernehmen, Mom - was meinst du? Du hast doch im Laufe der Jahre schon
Tausende von Fotos

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