Ein Tag wie ein Leben
wäre ich mir
vorgekommen wie ein Heuchler, wenn ich mich in der Kirche hätte
trauen lassen.
Es gab noch einen weiteren Grund, weshalb wir nicht zu einem
Pfarrer gingen, und der hatte mit meinem Stolz zu tun. Ich wollte
nicht, dass Janes Eltern für eine traditionelle kirchliche Hochzeit bezahlten, obwohl sie es sich problemlos hätten leisten können. Jetzt,
da ich selbst Vater von zwei Töchtern bin, betrachte ich diese Verpflichtung mit Recht als ein Geschenk, aber in meinen jungen Jahren
fand ich, dass ich allein für die Kosten aufkommen sollte. Wenn ein
offizieller Empfang meine finanziellen Mittel überstieg, dann wollte
ich keinen haben. So dachte ich damals.
Ich hatte nicht genug Geld für eine große Feier. Ich war neu in der
Kanzlei und bezog zwar ein anständiges Gehalt, hatte aber nur ein
Ziel vor Augen: Ich wollte möglichst viel sparen, um bald ein Haus
zu kaufen. Zwar schafften wir es auf diese Weise, bereits neun Monate nach der Hochzeit in unser erstes eigenes Haus zu ziehen, aber
ich finde heute, dieser Umzug war ein solches Opfer nicht wert.
Sparsamkeit, das habe ich inzwischen begriffen, hat ihren Preis, und
wenn man am falschen Ort spart, muss man später teuer dafür bezahlen.
Die Hochzeit war in weniger als zehn Minuten abgewickelt. Selbstverständlich wurde kein einziges Gebet gesprochen. Ich trug einen
dunkelgrauen Anzug, Jane hatte ein gelbes Sommerkleid gewählt
und sich eine Gladiole ins Haar gesteckt. Ihre Eltern winkten uns
zum Abschied, und wir verbrachten unsere Flitterwochen in einem
hübschen, altmodischen Gasthaus in Beaufort. Jane war entzückt von
dem Himmelbett, in dem wir das erste Mal miteinander schliefen,
aber von wegen Flitterwochen - wir verbrachten nicht einmal das
ganze Wochenende dort, weil ich am Montag schon wieder im Büro
sein musste.
Das war nicht die Art von Hochzeit, die sich Jane als Mädchen erträumt hatte. Heute kann ich das richtig einschätzen, aber damals
habe ich nicht darüber nachgedacht. Sie hatte sich genau das Fest
gewünscht, zu dem sie jetzt Anna überreden wollte: eine glücklich
lächelnde Braut, die von ihrem Vater den Gang hinuntergeführt wird,
eine kirchliche Trauung mit Freunden und Verwandten, ein Empfang
mit Büfett und Kuchen, dazu bezaubernder Blumenschmuck auf jedem Tisch - und die Braut und der Bräutigam nehmen freudestrahlend die Glückwünsche entgegen.
Vielleicht spielt sogar eine Musikkapelle, damit die Braut mit ihrem
Ehemann und mit ihrem Vater tanzen kann, während alle anderen
zuschauen und enthusiastisch Beifall klatschen, manche mit Tränen
der Rührung in den Augen. So eine Hochzeit hätte sich Jane gewünscht.
K
APITEL 4
Am Samstag, dem Tag nach Annas Ankündigung, fuhr ich morgens
nach Creekside. Als ich meinen Wagen auf dem Parkplatz abstellte,
brannte die Sonne schon ziemlich heiß. In den Südstaaten verlangsamt sich im August der Rhythmus des Lebens, und das gilt selbstverständlich auch für New Bern. Die Leute fahren bedächtiger, die
Ampeln scheinen länger auf Rot zu stehen als normalerweise, und
die Fußgänger verbrauchen gerade genug Energie, um irgendwie
vorwärts zu kommen, aber man hat immer den Eindruck, sie würden
einen Wettbewerb im Schleichen veranstalten.
Jane und Anna waren schon aufgebrochen, um die ersten Erledigungen zu machen. Nach unserem Gespräch auf dem Deck hatte Jane
noch lange am Küchentisch gesessen und angefangen, eine Liste mit
all den Dingen anzulegen, die organisiert werden mussten. Sie hatte
zwar wenig Hoffnung, sämtliche Punkte termingerecht abhaken zu
können, aber eine Liste fand sie trotzdem praktisch. Drei Seiten hatte
sie voll geschrieben und die verschiedenen Aufgaben genau auf die
verbleibenden Tage aufgeteilt.
Jane konnte schon immer gut organisieren. Gleichgültig, ob es um
einen Kirchenbasar oder um ein Pfadfindertreffen ging - immer wurde meine Frau gefragt, ob sie die Sache nicht in die Hand nehmen
könne. Manchmal fühlte sie sich überfordert, denn schließlich nahmen alle drei Kinder an irgendwelchen Aktivitäten teil, aber sie lehnte nie ab. Aus Erfahrung wusste ich, dass sie zwischendurch immer
furchtbar nervös wurde, deshalb nahm ich mir vor, sie in der kommenden Woche so viel wie möglich zu entlasten.
Die Parkanlage von Creekside war mit Hecken und Azaleenbüschen wunderschön gestaltet. Ich war mir sicher, dass ich Noah nicht
in seinem Zimmer antreffen würde, deshalb folgte ich gleich dem
gewundenen Kiesweg hinunter
Weitere Kostenlose Bücher