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Ein Tag, zwei Leben

Ein Tag, zwei Leben

Titel: Ein Tag, zwei Leben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jessica Shirvington
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hatte, Auto fuhr. Und dann verschwand er einfach. Typisch Lucas.
    Ich nahm an, er wollte nicht dableiben und irgendetwas von dem, was heute Nacht passiert war, Mom erklären, die etwa fünf Minuten nach seinem Verschwinden auftauchte, einen Blick auf mich warf und mir befahl, sofort ins Bett zu gehen.
    Es war wohl offensichtlich, dass ich betrunken war.
    Sie informierte mich noch darüber, dass wir am Morgen ausgiebig darüber sprechen würden. Ich nickte und erklärte, dass ich mich auf die Nachbereitung freute.
    Wie durch ein Wunder schaffte ich es, mein Kleid aus- und meinen Schlafanzug anzuziehen, bevor ich mich mit dem Gesicht nach unten aufs Bett fallen ließ.
    Als ich aufwachte, kam im Bruchteil einer Sekunde alles wieder zu mir zurückgeflutet. Es war, als hätte die Realität ihre Finger ausgestreckt und mir ins Gesicht geschlagen. Ziemlich heftig.
    Blitzschnell war ich aus dem Bett und vor meinem Spiegel, wo ich das Bild meiner Selbst anstarrte, das ich in dieser Welt immer sah – wenn auch ein wenig verquollen um die Augen. Mein langes braunes Haar hing an einer Seite meines Gesichts bis fast zur Hüfte herunter. Ich schob mein Oberteil hoch und auf Rippen und Bauch erschien ein ganz normales Stück Haut; beide Beine und Arme waren unversehrt, abgesehen von dem relativ kleinen Kratzer, den ich mir im Keller zugefügt hatte.
    Ich nahm meine Uhr vom Nachttisch. Es war kurz nach Mittag, was bedeutete, dass das Abführmittel massenhaft Zeit gehabt hatte, in mein System zu gelangen.
    Ich ging ins Badezimmer. Keine Anzeichen für die Wirkung, die die Packungsbeilage versprochen hatte. Nichtsdestotrotz musste ich mich übergeben, was allerdings meinem gestrigen Wodka-Bowle-Konsum geschuldet war, da war ich mir doch ziemlich sicher. Ich kasteite mich innerlich und beschloss, mich nie wieder zu betrinken.
    Ich hatte keine Ahnung, was ich mit diesen neuen Informationen anfangen sollte, deshalb flüchtete ich mich erst einmal in die Routine. Ich duschte, zog ein niedliches Strandkleid an und dazu meine roten Lieblings-Kitten-Heels. Ich wusste nicht, ob ich lachen oder weinen sollte, deshalb setzte ich ein Lächeln auf und ging nach unten – nur um mir eine fünfundvierzigminütige Gardinenpredigt von Mom anzuhören.
    Nachdem sie zum zehnten Mal » Ich will doch nur dein Bestes« gesagt hatte, schaltete ich auf Durchzug und studierte die Walnussmaserung des Esstischs. Sie war sowieso nicht mit dem Herzen dabei. Und als sie mir schnaubend ein Sandwich hinschob und sagte: » Du siehst aus, als würdest du gleich in Ohnmacht fallen«, da wusste ich, dass die Predigt vorbei war.
    Das Schlauste wäre jetzt gewesen, wieder zurück ins Bett zu gehen. Ich brauchte dringend mehr Schlaf. Ich hatte den Überblick verloren, wie viele Stunden ich wach gewesen war – in beiden Leben –, bevor ich in den frühen Morgenstunden eingeschlafen war. Aber wegen meiner wirbelnden Gedanken war Schlafen nicht wirklich eine Option. Außerdem gab es etwas viel Dringenderes, was ich unbedingt erledigen musste.
    » Abschneiden, aber nicht zu viel. Und geben Sie ihnen seitlich etwas Form, aber hinten sollen sie lang bleiben. Die Farbe muss viel heller werden, aber mit Schattierungen. Es soll ein warmer Ton sein. Aber auf jeden Fall blond.«
    Die Stylistin lächelte mich gezwungen an, als würde sie gerade ihre Berufswahl noch mal überdenken. Ich hatte Mitgefühl mit ihr, blieb aber dabei. In diesem Leben würde ich dem Friseur nicht freie Hand lassen. Es war absolut wichtig, dass meine neue Frisur für Wellesley angemessen war.
    Während sie mein Haar mit Shampoo und Haarspülung – beides rein biologisch – wusch, ließ ich meinen Gedanken ihren Lauf. Mein ganzes Leben lang hatte ich keine Wahl gehabt. Ich lebte zwei Leben und das war’s. Niemals nur das eine oder das andere – sondern zerrissen und ganz allein. Aber jetzt … jetzt gab es eine Chance. Hoffnung. Die Möglichkeit eines normalen Daseins.
    Wenn das Körperliche nicht miteinander verbunden war … Wenn das, was ich im einen Leben tat, sich in keinerlei Hinsicht auf das andere auswirkte … Wenn ich im einen bluten konnte und im anderen nicht, etwas von mir abschneiden und anders färben kann … Wenn ich Abführmittel nehmen und betrunken sein konnte und nichts davon in meinem anderen Körper irgendwelche Reaktionen hervorrief, dann waren es bis zu einem gewissen Grad – zu einem sehr relevanten Grad – zwei separate Körper. Und wenn ich aus zwei separaten Körpern

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