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Ein Tag, zwei Leben

Ein Tag, zwei Leben

Titel: Ein Tag, zwei Leben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jessica Shirvington
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die Treppe hinunter.
    Ich ließ das Gesicht in meine Hände sinken und seufzte.
    » Was machst du da eigentlich, Sabine?«, flüsterte ich, aber im gleichen Augenblick rieb ich mir mit den Händen über das Gesicht, als könnte ich auf diese Weise den Gedanken von meinem Gehirn wischen.
    Ich musste es wissen.
    Nach einer schwerfälligen Dusche mit dem in eine Plastiktüte gewickelten Arm, klebte ich neue Pflaster auf die Schnitzereien vom gestrigen Abend, zog mir einen schwarzen Baumwollrock an, der länger als üblich war und knapp über dem Knie endete, und ein weinrotes T-Shirt mit langen Ärmeln. Mit meinem eingegipsten Handgelenk dauerte es doppelt so lang wie sonst, mich fertig zu machen, aber das meiste schaffte ich – sogar die übliche großzügige Portion Kajal und Wimperntusche konnte ich auftragen, passend zu meinem neuen schwarzen Fransen-Look.
    Ich setzte mich aufs Bett und wollte gerade anfangen, mich mit meinen Stiefeln herumzuschlagen, doch stattdessen nahm ich meine Tasche und umklammerte die schlichte weiße Tablettenschachtel, mit der ich meinen letzten Test machen würde. Bei dem Gedanken daran, wie ich die Tasche hatte fallen lassen und wie schlimm alles hätte kommen können, wenn Ethan gewusst hätte, was für Tabletten das waren, wurde mir heiß und kalt. Ich konnte nicht riskieren, dass so etwas noch einmal passierte.
    Ohne weiter darüber nachzudenken, drückte ich die Tabletten aus ihrer Packung und ließ sie auf den Nachttisch fallen. Dann zertrümmerte ich eine nach der anderen mit dem Boden meines Wasserglases und erinnerte mich selbst daran, nicht zu viele zu zerbröseln.
    Digoxin war die perfekte Droge. Ich hatte Leute in die Drogerie kommen sehen, die die falsche Dosis davon eingenommen hatten. Das Herzmittel hatte bei einer Fehldosierung eine ganze Reihe von Nebenwirkungen, darunter gelbliche Sicht, Herzklopfen, Übelkeit – es war eine ziemlich lange Liste. Es war die ideale Möglichkeit, die innerliche körperliche Reaktion auf ein Gift zu testen. Und das Beste von allem war, dass es ein Gegengift gab – Digibind –, falls alles aus dem Ruder lief.
    » Ein verantwortbares Risiko«, murmelte ich, während ich mein Zimmer absuchte. » Aha!«
    Ich zog eine Halskette aus einem Haufen Ramsch auf meiner Kommode und drehte den oberen Teil des silbernen Schmetterlingsanhängers ab. Capri und ich hatten uns letztes Jahr auf einem Markt Halsketten mit Anhänger gekauft. Ihr Anhänger war ein silberner Totenkopf, aber mir hatte der Schmetterling besser gefallen; uns beide hatte begeistert, dass sie Geheimkammern hatten. Damals hatten wir Witze darüber gemacht, wie praktisch das doch zum Drogenschmuggeln wäre.
    Vorsichtig streifte ich das pulverisierte Digoxin auf ein Blatt Papier und füllte es in den gewehrkugelförmigen Körper des Schmetterlings, bevor ich den Kopf wieder draufdrehte.
    Wenn Capri mich doch jetzt nur sehen könnte.
    Ich beseitigte die Spuren, nahm den Rest des Digoxins und packte es zusammen mit meiner Zerstückelungsausstattung in meinen Rucksack. Ich würde es mitnehmen und irgendwann im Laufe des Tages wegwerfen. Ich wollte nicht, dass so etwas herumlag, vor allem die Tabletten, damit Maddie nicht darauf stoßen konnte. Ich legte die Halskette an, schnappte meinen Rucksack und ging in die Küche hinunter, als gerade die Haustür zuging.
    » Maddie?«, fragte ich Mom und Dad, die am Küchentisch saßen und Papiere durchblätterten.
    Mom blickte kurz auf, sie hatte sich die Brille nach unten auf den Nasenrücken geschoben, was sie älter aussehen ließ, als sie war. » Ist gerade mit Mrs Jefferies los.«
    Ich nickte, füllte Wasser in den Wasserkocher und machte mich daran, Toast zuzubereiten. Außerdem legte ich mir das Schmerzmittel zurecht, das mir der Arzt für mein Handgelenk verschrieben hatte. Eigentlich tat es nicht weh, aber ich nahm an, dass das Schmerzmittel meine noch immer pulsierenden Schnitte lindern würde.
    Als ich mich an den Tisch setzte, sagte niemand etwas. Mom starrte Dad an, als wartete sie auf etwas, doch Dad ignorierte sie und rückte seine blassblaue Krawatte zurecht. Er bestand darauf, jeden Tag eine zu tragen. Als könnte eine Krawatte allein ihn, und damit uns, irgendwie besser machen.
    Das Schweigen wurde unangenehm.
    » Was ist los?«, fragte ich zwischen zwei Bissen Toast. Dad starrte weiterhin auf das Blatt Papier, auf das er sich schon konzentriert hatte, als ich ins Zimmer gekommen war. Mom wand sich auf ihrem Stuhl.
    » Es ist

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