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Ein Tag, zwei Leben

Ein Tag, zwei Leben

Titel: Ein Tag, zwei Leben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jessica Shirvington
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Sabine«, sagte er. » Erklär es uns.« Sein ausdrucksloser Tonfall klang atemlos und misstrauisch.
    Ich holte tief Luft, versuchte anzufangen und scheiterte. Mit klopfendem Herzen holte ich erneut Luft und zählte innerlich auf zehn. Meine verheimlichten Wahrheiten, die getrennten Welten, meine Geheimnisse, meine Verkehrtheit … Die Mauern, an denen ich so lange so hart gearbeitet hatte, stürzten um mich herum in sich zusammen. Ich weiß nicht, ob es daran lag, dass ich aufgrund der Änderung der Regeln erwischt wurde, oder daran, dass ich mich dringend verteidigen und meine vorschnell urteilenden Eltern schockieren wollte, aber als ich in dem bodenlosen Fass aus Lügen herumsuchte, in dem ich doch sonst immer fündig wurde … war da nichts. Nicht eine einzige Ausrede fiel mir ein.
    » Ich habe zwei Leben«, platzte ich heraus.
    Mom sah perplex aus. Von allen Dingen, die ich zu meiner Verteidigung hätte hervorbringen können – damit hatte sie bestimmt nicht gerechnet. Aber dann wich alle Farbe aus ihrem Gesicht und sie starrte mich entsetzt an.
    Wieder holte ich Luft. » Das ist schon seit meiner Geburt so – ich erlebe jeden Tag zweimal. Morgens wache ich hier auf, in meinem Bett, ihr seid meine Familie und ich erlebe meinen Tag. Aber jede Nacht, um Mitternacht, vollziehe ich diese Art Wechsel – so nenne ich das jedenfalls. In der einen Sekunde bin ich noch hier in diesem Leben. In der nächsten bin ich in einem anderen Leben und dort verbringe ich dann die nächsten vierundzwanzig Stunden bis Mitternacht mit meiner dortigen Familie. Wenn ich wieder hierher zurückkomme, ist es so, als wäre keine Zeit verstrichen.«
    Tränen liefen mir übers Gesicht, als ich meine Eltern anschaute und verzweifelt versuchte, sie dazu zu bewegen, durch die Verrücktheit meiner Worte hindurch die Wahrheit in meinen Augen zu sehen. » Ich weiß, dass das verrückt ist. Deshalb habe ich auch noch nie jemandem davon erzählt – ich hatte nie geglaubt, dass ich das irgendwie ändern könnte. Aber … aber neulich hat sich etwas verändert. Früher hat es meine andere Welt auch betroffen, wenn irgendetwas mit meinem Körper war – als ich zum Beispiel in dieser Welt Mandelentzündung hatte, hatte ich das in der anderen auch. Jetzt wechseln aus irgendwelchen Gründen diese Dinge nicht mehr mit über. Deshalb habe ich … versucht, das zu ergründen.« Ich schluckte.
    » Du lebst in zwei Welten?«, sagte Dad ganz leise.
    » Dad, bitte glaub mir.«
    » Du hast zwei verschiedene Familien?«, sagte Mom ebenso benommen und unter Tränen.
    » Hört mal, ich weiß, dass das verrückt klingt. Aber ich kann das alles so erklären, dass ihr es versteht. Ich will doch, dass ihr wisst, weshalb ich die Tabletten genommen habe …« – ich blickte auf den belastenden Inhalt meiner Tasche – » … und die anderen Sachen.«
    Schließlich nickte Dad und wandte mir sein Gesicht zu. » Na schön, erklär es uns, Sabine.«
    » Okay«, sagte ich uns stieß den Atem aus, erleichtert, dass er zumindest gewillt zu sein schien, mehr zu hören. » Ich weiß nicht, wann die Veränderung erfolgt ist, vielleicht als ich achtzehn geworden bin, aber als ich mir den Arm gebrochen habe, war dies das erste Zeichen. Als ich in der Nacht darauf den Wechsel vollzog, war mein Arm in meiner anderen Welt nicht gebrochen.«
    Mom schwieg, aber Dad nickte mir zu fortzufahren, und plötzlich hatte ich es eilig, weil ich ihnen all das endlich erzählen konnte. Meine schlimmsten Ängste, sie könnten » Lügnerin« brüllen und mich aus dem Haus jagen, waren nicht wahr geworden.
    Ich setzte mich auf. » Danach wollte ich es genau wissen. Ich meine, das Körperliche war immer verbunden gewesen, aber jetzt … Nun, wenn es jetzt nicht mehr so ist, ist alles anders. Deshalb habe ich mit den Tests angefangen. Zuerst die Haare.«
    » Und wie ist das gelaufen?«, fragte Dad.
    Ich nickte. » Großartig. Ich meine, zum ersten Mal konnte ich mir die Haare schneiden lassen, ohne es in meiner anderen Welt ebenfalls verändern zu müssen.« Ich konnte ein zögerndes Lächeln nicht unterdrücken. Dad unternahm einen schwachen Versuch, es zu erwidern. Das nahm ich als weiteres ermutigendes Zeichen. » Als ich dorthin zurückkam, ließ ich mir die Haare blond färben, und das änderte hier, in dieser Welt, auch nichts. Und dann …« Ich hielt inne.
    » Es ist okay, Sabine, du kannst es uns ruhig erzählen. Wie wir sehen, hast du … noch andere Theorien ausprobiert«, sagte Dad und

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