Ein talentierter Lügner (Romeo & Julian) (German Edition)
Nacht an all dem etwas hatte ändern können, würde Julian bald genug herausfinden.
Mit der Durchsuchung des Bads und der Küche war er schnell fertig. Dort gab es nur wenige Gegenstände, die persönlich zu sein schienen. Der Wohnbereich des weitläufigen Apartments nahm wesentlich mehr Zeit in Anspruch, aber Julian entdeckte nichts, das für seine Suche von Bedeutung war. Als Nächstes nahm er das Schlafzimmer in Angriff, wobei er das Doppelbett mit den zerwühlten Laken ignorierte. Und natürlich fand er das, was er suchte, genau an der Stelle. an der er zuletzt nachsah.
Romeos Kleiderschrank. Ein Klassiker.
Er wühlte sich gerade durch einige schwarze Kleidungsstücke, als sein Blick auf einen Rollkragenpullover aus Kaschmir fiel an den er sich nur zu gut erinnerte. Das letzte Mal hatte er ihn in jener Nacht gesehen, die sie zusammen in dem einsamen Haus in den Bergen verbracht hatten, ehe er irgendwann in den frühen Morgenstunden eines eisig kalten ersten Weihnachtstages Romeos Charme zum Opfer gefallen war. Und er war ein williges Opfer gewesen, sogar damals schon.
Entschlossen schob er eine ebenfalls wohlbekannte schwarze Cargo-Hose beiseite und versuchte nicht daran zu denken wie eng sie Romeos lange, muskulöse Beine und seinen festen kleinen Po umschlossen hatte. Dann stieß er einen leisen Pfiff aus als er eine flache, aber ziemlich große, rechteckige Kiste entdeckte, die in die hinterste Ecke des Schrankes geschoben war. Er hielt kurz inne und lauschte, ging sogar so weit den Kopf zu heben und sich umzuschauen. Doch die Wohnung war noch immer genauso ruhig und verlassen wie sie es gewesen war als sein Traum geendet hatte und er alleine in einem leeren Bett aufgewacht war.
Er zog die Kiste aus ihrem Versteck unter den Reihen von Romeos Anzugshosen und Hemden hervor. Sie war ziemlich schwer, und Julian öffnete sie mit einem seltsam flauen Gefühl in der Magengegend, einer Mischung aus Spannung und düsterer Vorahnung. Er wusste, was er finden würde noch bevor er den Deckel anhob. Und er behielt recht. Seile, Haken, einige elektronische Spielzeuge von deren Daseinszweck er keine Ahnung hatte und, zuletzt, ein Stapel Reisepässe. Ein kleiner Triumphschrei entfuhr ihm.
Ein einziger Blick auf den vielfarbigen Haufen verriet ihm dass die Ausweise Leuten aus mindestens fünf verschiedenen Ländern gehörten. Nicht Leuten, erinnerte er sich. Keine real existierenden Menschen, sondern nur Identitäten. Er schlug den ersten auf. Kanada. Anthony Bronson. Der zweite kam aus Italien. Angelo Ferro. Verärgert sah er sich die anderen an. Kein einziger passte zu den Scheinidentitäten, die er bereits aufgedeckt hatte was er, um ehrlich zu sein, sowieso nicht erwartet hatte. Romeo war viel zu professionell um an einem Pseudonym festzuhalten, das er nicht mehr benutzen konnte.
Julian hatte genug gesehen. Er steckte alles so zurück in die Box wie er es vorgefunden hatte und schob das Ding zurück an seinen ursprünglichen Platz. Sein Herz hämmerte wild als er sich aufrichtete. Hatte er wirklich geglaubt, Romeo hätte aufgehört? Er hatte es vielleicht gehofft, aber geglaubt? Das war nur eine weitere der vielen Fragen die er lieber unbeantwortet ließ, wenigstens für den Moment.
Julian ging wieder ins Bad und brachte sich so weit in Ordnung dass er sich zumindest sehen lassen konnte. Dann nahm er seine Jacke. Automatisch überprüfte er sie auf Geldbeutel, Marke und Schlüssel und verließ Romeos Apartment. Obwohl er es nicht zu hoffen gewagt hatte, blieb sein Gehen unbeobachtet. Die charmante Diana war nirgends zu sehen. Ob es sich dabei um einen Zufall handelte oder sie es so bevorzugte, war nicht weiter wichtig. Julian jedenfalls war erleichtert darüber. Er eilte zu seinem Wagen und machte sich auf den Heimweg. Er hatte sich zu sehr in die Jagd vertieft und die Zeit völlig aus den Augen verloren. Nun würde er zu spät zur Arbeit kommen.
Zu Hause angekommen , verweigerte er sich die heißersehnte Dusche. Er wusch lediglich die Bereiche, die es am nötigsten hatten, und zog frische Kleidung an. Dann steckte er seine Dienstwaffe ein und hetzte weiter.
* * * *
Zum allerersten Mal erschien Julian eineinhalb Stunden zu spät zur Arbeit. Natürlich konfrontierte ihn in seiner Position niemand mit solchen Nebensächlichkeiten, schließlich hatte er keinen normalen Bürojob. Und selbst wenn jemand nachfragen sollte, konnte er behaupten, mit Nachforschungen beschäftigt gewesen zu sein. Das würde wohl
Weitere Kostenlose Bücher