Ein talentierter Lügner (Romeo & Julian) (German Edition)
Grimasse. „Du hast dir also nicht die Zeit genommen , es dir anzusehen, bevor du gegangen bist, nehme ich an?“
Die Anspielung auf die Nacht zuvor und ihre intime Beziehung war unerwartet, und sie tat unerwartet weh. Mehr als alles andere wollte Julian nur Romeos Hand ergreifen oder, noch besser, aus diesem dämlichen Stuhl aufstehen und seinen Mann in die Arme schließen, ihn festhalten, küssen und ihm sagen wie froh er war ihn in einem Stück und lebendig wieder zu haben. Aber das konnte er nicht. Nicht einmal wenn der Ausdruck auf Romeos Gesicht weniger unnahbar gewesen wäre. Also schüttelte er stumm den Kopf.
Romeos Lächeln wirkte gezwungen. „Es ist fertig. Ich habe den Feinschliff gemacht nachdem…als du geschlafen hast.“
„Wirklich? Verdammt.“ Julian rechnete schnell nach. Um elf hatten sie noch miteinander geredet, danach nochmals Sex gehabt. So langsam, wie sie es hatten angehen lassen, waren sie wohl nicht vor eins fertig gewesen. Julian war um sechs oder höchstens halb sieben aufgewacht, also hatte Romeo nicht gerade viel Zeit gehabt um zu tun was er getan hatte.
„Du hast nicht viel geschlafen, oder?“
„Überhaupt nicht, wenn du’s genau wissen willst.“
„Du solltest nach Hause gehen. Ein bisschen schlafen, duschen und—“
Romeo hob die Hand. Die linke. „Das habe ich ja auch vor. Ich wollte nur… Ich wollte dich sehen. Wissen, wie es dir geht.“
Julian konnte sein sarkastisches Schnaufen nicht zurückhalten. „Du siehst aus als hättest du eine verdammt harte Nacht gehabt, Schatz, und du willst wissen, wie es mir geht?“ Er ließ seine Stimme die Gefühle übermitteln die er in seinem Büro mit den Glaswänden nicht in Handlungen umwandeln konnte und wünschte sich einmal mehr den Luxus von Jalousien wie Baxter sie hatte.
„Ja“, flüsterte Romeo. Er blinzelte und schwankte leicht. Unfähig sich länger zurückzuhalten, berührte Julian Romeos Knie, den einzigen Teil von ihm, den er erreichen konnte ohne dass es von draußen gesehen wurde.
„Verdammt nochmal, Romeo! Du siehst aus als würdest du jeden Moment vor Erschöpfung umfallen. Geh nach Hause, schlaf und komm später wieder her. Ich rufe Townsend an und verschiebe die Sache. Oder noch besser, ich lasse ihn kommen wie geplant und halte ihn dann hin. Da kann er nichts gegen machen.“
Bereits wieder auf den Beinen, nickte Romeo schwach. „Ich bin um drei mit dem Bild hier.“ Seine Lippen blieben geöffnet, so als wolle er noch etwas hinzufügen, doch dann drehte er sich um und ging zur Tür. Die Finger auf der Klinke, zögerte er und drehte sich um. Das Blau seiner Augen leuchtete in seinem blassen Gesicht, noch verstärkt durch seine geröteten Lider. „Ich liebe dich, Jules. Vergiss das niemals.“ Er riss die Tür auf und ließ Julian mit hämmerndem Herzen und rasenden Gedanken alleine.
Romeo hatte diese drei Worte nicht zum ersten Mal gesagt. Er hatte sie schon recht früh in ihrer sich anbahnenden Beziehung gesagt, sogar noch bevor Julian sich selbst eingestanden hatte , was er für den hübschen Dieb empfand, der sein Herz zusammen mit all den anderen Dingen hinter denen er her war gestohlen hatte. Was ihn überraschte war die seltsame Dringlichkeit in Romeos Stimme. Ganz zu schweigen von Vergiss das niemals . Es klang endgültig. Wie eine Vorahnung. Als erwarte er, nicht zurück zu kommen.
Julian schüttelte den Gedanken ab. Romeo würde zurück kommen, ganz so wie er es immer tat. So wie er es musste. Er musste es, denn ein Leben ohne ihn kam für Julian nicht länger in Betracht. Er musste es, denn Julian würde ihn niemals finden können.
Kapitel 10
Romeo kam zurück. Um exakt fünf vor drei betrat er das Büro. Selbstbewusst und gekleidet in einen kostspieligen Anzug sah er aus wie ein Model geradewegs aus einer Werbekampagne. Er trug ein großes, flaches, rechteckiges Paket. Er sah außerdem aus, als könne er kein Wässerchen trüben—ein trügerischer Schein wie Julian inzwischen nur zu gut wusste. Doch er hatte sich geschworen, seine neueste Entdeckung für sich zu behalten, bis sie mit Townsend fertig waren, also biss er die Zähne zusammen und gab sich damit zufrieden, den Anblick zu genießen.
Romeo hatte sich die Zeit für eine zweite Rasur genommen, so dass sein Gesicht ungewohnt glatt war. Zusammen mit seinem zurückgegelten Haar verstärkte es den Eindruck jugendlichen Elans und einer gewissen Unschuld. Auch wenn er persönlich den raueren, männlicheren Stil mit
Weitere Kostenlose Bücher