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Ein Teelöffel Land und Meer

Ein Teelöffel Land und Meer

Titel: Ein Teelöffel Land und Meer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dina Nayeri
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redest du?«, fragt Ponneh.
    Saba atmet aus. »Er hat nie mit mir geschlafen. Er ist völlig impotent.«
    Ponneh macht große Augen. »Das ist doch gut«, sagt sie vorsichtig. »Oder?«
    Saba lacht kurz auf. Sie reibt sich den Hals und versucht, das schwere Gefühl mit den Fingern wegzudrücken. »Vielleicht«, sagt sie. »Nur dass er zwei Frauen angeheuert hat, um mich zu überwältigen.« Sie wartet ab, bis Ponneh begriffen hat, was sie da sagt. »Verstehst du? Es ging ihm um seinen Ruf. Zwei
dehatis
 … vielleicht Basidsch, ich weiß nicht genau. Er hat sie in unser Haus bestellt und sie dafür bezahlt, dass sie mich verletzen.«
    Ponnehs Gesicht wird noch aschfahler. »Mein Gott, Saba«, flüstert sie.
    »Jetzt geht’s mir wieder gut«, sagt Saba und beschließt, ihr nicht von den Blutungen zu erzählen. »Aber verstehst du, was ich meine? Ist das
meine
Schuld?«
    »Natürlich nicht«, sagt Ponneh. »Aber das hier ist was anderes.«
    »Ist es nicht«, widerspricht Saba. »Keine von uns kann diese Dinge verhindern. Dieser Mist passiert andauernd, und du und ich, wir können absolut nichts daran ändern. Wir können das noch nicht mal kommen sehen. Es ist verrückt, dir die Schuld daran zu geben. Du musst auf dich achtgeben, Ponneh-dschan.«
    Ponneh beugt sich nach vorn, schiebt den Kopf zwischen die beiden Rückenlehnen. »Ich hoffe, du hast es deinem Vater erzählt«, sagt sie. »Diese Frauen gehören ins Gefängnis.« Saba schüttelt den Kopf. Sie will nichts von ihren Hoffnungen auf das Geld oder eine Zukunft im Ausland verraten –
wann wird der Zeitpunkt kommen?
Sie empfindet einen solchen Drang zu fliehen. »Du hast es ihm nicht erzählt?« Ponneh umklammert die Kopfstütze, ihre Stimme wird schrill. »Du willst Abbas ungestraft davonkommen lassen? Hast du denn gar nichts von Dr. Zohreh gelernt? Du
musst
etwas sagen. Es geht nicht nur um dich. Was, wenn die das noch mal machen?«
    Der orangegelbe Jian vor ihnen verschwindet hinter einer Bergkurve. Die Luft ist stickig, und Saba kurbelt das Fenster runter. Die Gerüche und Geräusche der Straße rauschen ins Wageninnere. Sie dreht sich um und blickt Ponneh flehend an. »Bitte erzähl das keinem, ja? Für konvertierte Christen ist alles anders. Baba und ich können es nicht auf einen Rechtsstreit mit einem frommen Muslim ankommen lassen. Wenn die anfangen, Nachforschungen anzustellen … Versteh doch, Ponneh-dschan, ich hab schon so lange gewartet …« Ihr Gesicht wird heiß. »Du darfst es Reza nicht erzählen. Versprochen?«
    »Meinetwegen«, sagt Ponneh. »Aber ich finde es falsch.« Saba ist froh, dass wieder Feuer in Ponnehs Stimme schwingt. »Du solltest zu ihnen gehen und ihnen ins Gesicht schlagen.«
    »Wenn ich sie das nächste Mal sehe«, murmelt Saba, und sie fahren schweigend durch den Wald.
    Als Abbas in jener Nacht anklopft, ignoriert sie ihn. Sie hört sich »Fast Car« an und beschließt, dass sie hier fertig ist. So schwer kann der Versuch, fortzugehen, doch nicht sein. Als sie einschläft, schwimmen Bilder von roten Stöckelschuhen und baumelnden Turnschuhen mit pinkfarbenen Streifen durch die schattigen Orte, die sie von ihrem Traumuniversum trennen. Und sie dankt Gott, dass er Mahtab just in dem Moment aus Cheshmeh weggeholt hat, als die Welt kurz davor war einzustürzen.

Soghra und Kobra
    Khanom Basir
    E in Jahr vor der Revolution, als die Kinder acht Jahre alt waren, fesselten Soghra und Kobra volle drei Monate lang ihre ganze Aufmerksamkeit. Sie sprachen über nichts anderes. Soghra und Kobra waren Schwestern, die im Nachbarort lebten – entfernte Verwandte von Ponneh, die allen von Soghras Heiratsplänen erzählte. Soghra war erst zwölf, aber ihre Eltern waren verzweifelte Menschen, geschlagen mit Armut und altertümlichem Denken. Sie sagten, sie wäre schon »zur Frau geworden« und somit heiratsfähig. Schändlich! Sie verheirateten sie mit einem Mann, dessen Schwester in einen hiesigen Hamam gekommen war, um Soghras Körper zu untersuchen, wie das zu Zeiten meiner Eltern üblich war. Und was war so faszinierend an Soghras Heirat? Was brachte die Mädchen dazu, ihr auf der Straße hinterherzulaufen und neugierigen Freundinnen Geschichten über sie zu erzählen? Nun, der Mann, den Soghra heiraten sollte, war vierzig Jahre alt.
    »Bist du sicher, dass er vierzig ist? Vielleicht ist er ja fünfzig!«, sagte eine von ihnen, während sie den Laden des Mannes auf dem Marktplatz beobachteten.
    »Ist doch egal, ob er vierzig oder

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